Ohne Beweis (German Edition)
auch wenn es mir sehr schwer fiel. Dennoch erhellte der fast volle Mond die Szenerie und tauchte die wie hingewürfelten Gebäude in ein gespenstisches Licht. Genau vor mir lag das Wohnhaus. Rechts daneben war der Kuhstall und links vom Haus grenzte direkt die Scheune an, in der die Maschinen und Fahrzeuge standen. Das wusste ich noch von meinem letzten Besuch und so konnte ich mich auch in der Dunkelheit gut zurechtfinden. Der Wind strich ziemlich heftig um die Ecken und ließ das Laub und die Zweige über mir zischeln und knacken. Mehrmals zuckte ich erschrocken zusammen, doch es waren immer nur die Geräusche der Natur. Niemand sonst war zu sehen, auch kein Tier zu erkennen. Doch plötzlich ertönte ein ziemlich lautes Gemecker – so einen Laut hatte ich noch nie gehört. Was war das denn für ein Tier? Denn dass es sich um irgendein Tier handeln musste, stand für mich außer Frage. Nur welches? Ob es hier außer dem Kleingetier wie Fuchs, Marder und Co. noch größere gab? Vielleicht Waschbären? Waren die gefährlich oder würden sie Lärm machen, wenn sie mich entdeckten? Ich hielt den Atem an, als würde mich das vor einer tierischen Entdeckung schützen. Das Tier oder vielleicht sogar die Tiere hatten mich doch schon längst im Visier und ich konnte nur hoffen, dass die noch mehr Schiss vor mir hatten als ich vor ihnen.
Plötzlich war es vom Haus her dunkel, das blaue Licht war aus und wenig später ging auf der anderen Seite ein helles weißes Licht an. Entweder war das das Bade- oder das Schlafzimmer. Bald würde sich der Bauer schlafen legen und ich konnte versuchen, in den Scheunen und vielleicht sogar im Keller meine Erkundungen beginnen. Doch das helle Licht wollte einfach nicht mehr ausgehen! Schlief der etwa bei greller Beleuchtung? Das durfte doch nicht wahr sein!
Geh endlich schlafen, Bauer! Na mach schon!
Doch nach einer halben Stunde war das Licht immer noch an und so langsam verlor ich die Geduld. Da trotz des geöffneten Fensters nichts zu hören war, ging ich nun davon aus, dass der Bauer eingeschlafen war. Vom Hund war auch nichts zu hören und so fasste ich mir ein Herz und verließ meinen Beobachtungsposten. Der heulende Wind spielte mir in die Hände und das Gemecker hatte zum Glück auch aufgehört. So traute ich mich aus meiner Deckung, in die Garage zu huschen, um dort zunächst das Auto, die Traktoren und die diversen Schränke und Regale zu durchsuchen. Ich suchte nach irgendwelchen Unterlagen, Briefen oder Dokumenten, obwohl ich mir eigentlich nicht vorstellen konnte, dass man so etwas hier lagern würde. Doch ich musste irgendwas unternehmen, irgendwas tun, um nicht verrückt zu werden. Nun war ich schon so weit gekommen, meine Suche durfte hier nicht einfach zu Ende sein! Durch die Ruhe mutiger geworden, schlich ich mich zur Kellertüre und fand diese offen vor. Das Schicksal meinte es heute gut mit mir. Vorsichtig schob ich die alte Holztüre auf und natürlich quietschte sie erbärmlich. Doch der Hund war entweder taub oder hatte einen gesunden Schlaf, denn er schlug nicht an und sonst war auch nichts zu hören. Also weiter hinein und sich umgeschaut. Doch trotz diverser Schränke, Truhen und Regale konnte ich nichts finden und meine Taschenlampe wurde auch immer schwächer. Ich hatte nicht mal mehr genug Geld gehabt, um mir neue Batterien zu kaufen. Das Gehalt wurde erst in ein paar Tagen überwiesen und so hatte ich den Rest für Essen und Trinken ausgegeben. Weiter vorne war jedoch eine Türe und meine bisherige Erfolglosigkeit und die Ruhe von oben ließen mich nicht davor zurückschrecken, auch diese zu öffnen. Wie durch ein Wunder gab sie keine verräterischen Geräusche von sich, sondern glitt lautlos zur Seite und gab den Blick auf eine steile Holztreppe frei. Diese führte wahrscheinlich nach oben ins Haus. Dort aber waren der Hund und der Bauer, von denen ich nur annahm, dass sie schliefen. Konnte ich es wagen, da hinauf zu gehen?
19
„Ist Kamil noch nicht zurück?“, fragte Nora bereits in der Diele, wo sie ihre Tasche mit den Ausstellungsmessern vorsichtig abstellte und ihre Jacke mit einem Schwung über das Treppengeländer warf.
„Nein, Nora. Der ist seit gestern Abend weg. Hat der eigentlich ein Handy?“, fragte Delfina und gab ihrem Mann im Vorbeigehen einen Kuss.
„Keine Ahnung. Ich hab ihn nicht danach gefragt“, antwortete Nora zerknirscht, denn als gute Ermittlerin hätte sie mit Kamil die Mobilnummern austauschen sollen.
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