Ohne Chef ist auch keine Loesung
eine kleine Reise unternehmen: von Ihrer Seite des Arbeitslebens auf die andere
und wieder zurück. Sie werden erstaunt sein, was es zu entdecken gibt – und was das Entdeckte bei Ihnen auslösen kann. Wir
möchten mit Ihnen »in den Schuhen des anderen gehen«. Wir bringen auf den Punkt, was Sie und Ihr Chef voneinander erwarten
und erwarten dürfen. Unsere zehn Gebote gelten in jeweils unterschiedlichen Ausprägungen sowohl für Brötchen-Nehmer als auch
für Brötchen-Geber und sind das Ergebnis einer Interessenabwägung.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß und Erkenntnis bei der Reise.
Dr. Volker Kitz
&
Dr. Manuel Tusch
Köln, im Sommer 2009
|13| Erstes Gebot Du sollst nehmen, was du gibst, und geben, was du nimmst
Freitagabend, bei Ihnen zu Hause am Esstisch. Ihnen gegenüber sitzt Ihr Chef und wehrt energisch ab, als Sie ihm noch ein
weiteres Glas Rotwein eingießen wollen.
»Danke, danke, mein lieber Herr Schulte«, ruft er mit ablehnender Handbewegung und wirft seiner Frau einen auffordernden Blick
zu. »Wir müssen jetzt wirklich langsam aufbrechen.«
Sie sind neu im Job, neu in der Stadt – und dachten sich, es wäre doch eine nette Geste, den Chef mal zum Abendessen einzuladen.
»Das Lamm in Kräuterkruste war wirklich ganz ausnahmslos hervorragend«, flötet seine Gattin mit spitzen Lippen, während sie
sich formvollendet erhebt. »Da werden wir uns sicher mal revanchieren, nicht wahr, Schnappi?«
Ihr Chef merkt, dass Sie merken, dass nur er gemeint sein kann, und nickt etwas peinlich berührt. Hüstelnd schlüpft er in
seinen Mantel.
»Ich darf kurz noch mal verschwinden«, entschuldigt er sich, bevor er in Richtung Badezimmer läuft und Sie seiner Gattin in
den Pelz helfen.
Als er wiederkommt, ist sein Mantel in Bauchhöhe seltsam ausgebeult. »So viel hatte er eigentlich auch wieder nicht gegessen«,
denken Sie noch, als Sie ihn höflich zum Aufzug bringen. Ihr Chef |14| hat beide Arme umständlich über dem Bauch verschränkt und folgt Ihnen etwas ungelenk den Gang entlang.
»Wenn Sie irgendwas brauchen, mein lieber Schulte, meine Tür ist immer für Sie offen – und mein Ohr natürlich auch«, ruft
Ihr Chef gerade noch jovial, als er kurz eine Hand vom Bauch nimmt und Ihnen aus dem Aufzug heraus entgegenstreckt.
Und plötzlich fällt aus seinem Mantel ein großes Päckchen vor Ihre Füße.
Was der Chef unter seinem Mantel versteckt
Die Aufzugtür kann nicht schließen, und Sie brauchen einen Moment, bis Sie erkennen, was genau da aus seinem Mantel gerutscht
ist. Natürlich! Das ist die Neunerpackung Toilettenpapier, die Sie gerade erst gestern gekauft haben. Die neue Marke, vierlagig,
mit extra weicher Oberfläche, gar nicht mal billig. Das Paket war im Vorratsschrank im Badezimmer.
Für ein paar Sekunden sagt keiner etwas, nur die Aufzugtür versucht sich nochmals vergeblich zu schließen.
»Wir brauchen das halt auch«, setzt dann seine Frau an, und er ruft: »Außerdem ist Ihr Gehalt sowieso viel zu hoch, da werde
ich mir ja wohl irgendwie etwas wiederholen dürfen. Und wer sich die Luxuswischer hier leisten kann, dem geht’s ohnehin zu
gut.«
Schnell hebt er die Packung auf, der Aufzug schließt sich, und 9 mal 140 Blatt mit extra weicher Oberfläche rauschen nebst
Schnappi und Gattin davon.
Frage:
Was denken Sie, während Sie noch eine Weile die Aufzugtür anstarren?
»Unhöflich, er hätte wenigstens vorher fragen können.«
|15| »Hm … Da muss ich wohl was Kleingedrucktes im Arbeitsvertrag übersehen haben.«
»Völlig in Ordnung, wieso soll er extra selbst ins Geschäft laufen und auch noch Geld dafür ausgeben? War doch so viel praktischer
für ihn.«
»Ganz okay war das ja wohl nicht, Schnappi. Bei der Gegeneinladung nehme ich dein teures Rasierwasser mit.«
Wenn Sie Antwort 3 gewählt haben: Glückwunsch, Sie sind wirklich ein ziemlich lockerer Typ! Nichts kann Sie so schnell aus
der Ruhe bringen, und die Rechte und Pflichten aus Ihrem Arbeitsvertrag interpretieren Sie einigermaßen großzügig. Wir hoffen,
dass Sie nur Menschen mit ähnlich unkomplizierter Denkweise um sich herum haben. Antwort 1 oder 2 macht Sie nur eine winzige
Stufe unlockerer.
Aber in Wirklichkeit liegen die Dinge doch so: Sie haben Antwort 4 gegeben, denn so ist es nun mal. Sie schulden Ihrem Chef
die Arbeit, er Ihnen das Gehalt – der erzwungene Austausch eines Neunerpacks Toilettenpapier ist in diesem Verhältnis nicht
vorgesehen. Ihr Chef
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