Ohne Chef ist auch keine Loesung
fort. »Damals mussten wir
drastisch die Preise erhöhen. Ich sehe Frau Pöhlmeyer vom Marketing noch heute vor mir im Büro stehen: ›Chef, das schaffen
wir nie‹, hat sie geseufzt. ›Uns wird die Hälfte der Kunden abspringen.‹ Aber was ist passiert? Sie, mein lieber Herr Rente,
sind zu jedem rausgefahren und haben das erklärt – einfühlsam und überzeugend. Ja, ja, überzeugend waren Sie immer! Das ist
eine Ihrer großen Stärken.«
Herr Rente schwitzt und gießt sich Sekt nach.
»Und jetzt schauen Sie mal, was ich hier habe.« Der Chef zieht ein Blatt Papier aus seinem Sakko und entfaltet es. »Eine Bestellung
aus dem Jahr 2002. Es ist ein Folgeauftrag eines unserer damals wichtigsten Neukunden. Handschriftlich hat er darauf geschrieben:
›Billig sind Sie nicht, aber der Kundenservice ist atemberaubend. Deshalb kommen wir wieder.‹ Und als Dank für all das will
ich Ihnen heute eine Kleinigkeit überreichen. Äh … Sind Sie so weit, Frau Kleinschmidt?«
Frau Kleinschmidt schiebt ein riesiges Pappbild in den Raum. Ein Strand ist darauf zu sehen.
»Na, wissen Sie schon, wo’s hingeht?«, fragt der Chef lauernd.
Herr Rente ist still.
»Sie machen es sich mit Ihrer Frau jetzt erst mal zwei Wochen |108| auf den Kanaren schön. Da ist jetzt noch bestes Strandwetter! Und das beste Wetter ist für unsere besten Leute gerade gut
genug …«
Herr Rente will noch so viel sagen an diesem Abend, aber er bringt nichts mehr heraus. Stumm nimmt er sein Geschenk entgegen.
Und liegt noch hellwach in seinem Bett, als an seinem ehemaligen Arbeitsplatz die Lichter schon lange erloschen sind.
Wie Sie garantiert Geschenke vom Chef bekommen
Wann hat
Ihnen
Ihr Chef zum letzten Mal etwas geschenkt? Ihnen ganz persönlich, um Ihre individuellen Leistungen zu würdigen?
Die Chancen stehen zwei zu eins, dass Ihr aktueller Chef das noch gar nie getan hat. In der Tat ist die Wahrscheinlichkeit
zweimal so hoch, dass ein Chef einen scheidenden Mitarbeiter zum Abschied lobt und beschenkt, wie die Wahrscheinlichkeit,
dass er einen Mitarbeiter im festen Arbeitsverhältnis für eine gute Leistung mit einer Aufmerksamkeit würdigt. Viele lesen
sogar erst Monate später im Arbeitszeugnis, dass ihr Arbeitgeber sie geschätzt hat.
Wenn Sie sich also Ihre Ration Lob vom Chef abholen wollen: Dann brauchen Sie nur zu kündigen. Der Trick ist todsicher; er
funktioniert in den meisten Fällen. Leider hat er Haken, und zwar für beide Seiten: Sie müssen sich einen neuen Job suchen,
und Ihr Chef muss das Lob mit seinem Bedauern darüber verbinden, dass er eine gute Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter verliert.
|109| Wie es uns oft so geht, fielen auch Herrn Rente erst später die richtigen Worte ein, als er zu Hause im Bett lag und keine
Ruhe fand. Am nächsten Morgen schrieb er einen Brief an seinen Chef.
Und wir fügen hinzu: Lieber Chef, wie viel mehr hätte es auch für Sie bedeutet! Welche Rendite hätten Sie aus dem Geschenk
herausholen können, wenn Sie es früher gemacht hätten! Auch das bloße Lob hätte sich in bares Geld verwandelt, wenn Sie sich
tatsächlich einmal ein paar Jahre früher die Zeit dafür genommen hätten.
In bares Geld? So ist es. Adrian Gostick und Chester Elton haben für ihr Buch
Zuckerbrot statt Peitsche
in einer groß angelegten |111| internationalen Studie untersucht, wie sich eine Anerkennungskultur auf den Unternehmenserfolg auswirkt. Ihr eindeutiges Ergebnis:
Unternehmen, die herausragende Leistungen besonders anerkennen, können ihre Rendite mehr als verdreifachen. Und, liebe Chefs,
eine dreimal so hohe Rendite, das wäre doch schon was, oder?
Der amerikanische Psychologe Albert Bandura von der renommierten Stanford-Universität hat sich ausführlich damit beschäftigt,
wie sich Lob auf die Leistungsbereitschaft bei der Arbeit auswirkt. Sein Resultat: Wer Lob bekommt, möchte diesem Lob auch
in Zukunft gerecht werden. Er strengt sich daher besonders an. Das ist leicht nachzuvollziehen: Wenn der Chef einmal zu Ihnen
sagt »Sie haben wirklich ein Händchen dafür, die Bedürfnisse unserer Kunden auf den Punkt zu bringen« – werden Sie sich dann
nicht für den Rest Ihres Lebens jeden Kundenbrief zweimal durchlesen und ganz genau darauf achten, dass Sie die Fähigkeit
auch voll ausschöpfen, die Ihr Chef an Ihnen mag?
Lob vergisst man nicht. Rufen Sie sich nur die Gelegenheiten in Erinnerung, bei denen Sie gelobt worden sind. Sie werden Ihnen
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