Ohne Chef ist auch keine Loesung
aneinander vorbeizulaufen wie an einer Straßenlaterne. Das
gilt auch dann, wenn wir uns mehrfach am Tag begegnen – nur weil wir jemanden heute schon einmal gesehen haben, wird er nicht
für den Rest des Tages vom Menschen zur Straßenlaterne.
Wir pflegen Umgangsformen.
Wenn wir miteinander kommunizieren, gibt es eine Anrede, eine Grußformel und eine Abschiedsformel. Unsere E-Mails unterscheiden
sich auf diese Weise vom Befehls-Quellcode eines Computerprogramms.
|186| Wir haben auch bei der Arbeit ein Sozialleben.
Wir sprechen miteinander, denn das Bedürfnis nach sozialer Kommunikation ist ein menschliches Grundbedürfnis, auch am Arbeitsplatz.
Wir dürfen darüber sprechen, wie gut das Wochenende war und wie schlimm der Liebeskummer gerade ist, denn diese Dinge gehören
zu unserem Menschsein dazu.
Wir haben auch bei der Arbeit eine Privatsphäre.
Eine lückenlose, gar heimliche Überwachung unseres gesamten Arbeitslebens nimmt uns unsere menschliche Würde und erniedrigt
uns zum Überwachungsobjekt. Jeder Mensch braucht einen unbeobachteten Freiraum, auch bei der Arbeit. Sonst kann er nicht atmen
und nicht leben.
Wir sind nicht perfekt.
Wir machen Fehler, auch wenn wir uns noch so anstrengen. Wir sind auf die Macht der Vergebung angewiesen. Das unterscheidet
uns von einem Computerprozessor. Dafür sehen wir auch besser aus als er.
Was Chefs tun können
Wenn Sie, liebe Chefs, zu einer speziellen Form der Unhöflichkeit – zu Wutausbrüchen – neigen und vielleicht auch noch Fußballfan
sind, dann können Sie noch weiter vorbeugen: Wutausbrüche sind nämlich nicht nur unhöflich. Man untergräbt seine eigene Autorität,
wenn man seine Launen nicht im Griff hat – »der Wüterich kommt sich häufig selbst albern vor«, schreibt zu Recht zu |187| dem Thema Friederike Haupt in der
Frankfurter Allgemeinen
Zeitung
. Glauben Sie nicht? Schauen Sie sich auf einer Videoplattform im Internet ein paar bekannte Wutausbrüche von Fußballtrainern
an: die legendäre »Ich habe fertig!«-Rede von Giovanni Trapattoni zum Beispiel oder den Ausraster von Uli Hoeneß. Müssen Sie
lachen? So ergeht es auch Ihren Mitarbeitern, wenn
Sie
sich nicht unter Kontrolle haben. Speichern Sie die Videos in Ihren Favoriten ab und rufen Sie sie bei Bedarf auf.
Was Mitarbeiter tun können
Klingt das gut, liebe Mitarbeiter? Fein, dann fehlt jetzt nur noch eines: Nehmen Sie unsere kleine Menschenrechtserklärung
und schreiben Sie mit der Hand groß darüber
Und nun streichen Sie diese Worte gleich wieder durch:
Denn so sehr wir auch Mensch sind, dürfen wir trotzdem nicht vergessen, dass wir unser Geld für unsere Arbeit bekommen, nicht
für unser Menschsein als solches. Unser Chef darf – das hatten wir schon im ersten Kapitel – grundsätzlich von uns verlangen,
dass wir bei der Arbeit arbeiten. Damit wir also unser Menschsein, so schön es ist, nicht völlig in den falschen Hals bekommen,
notieren wir uns auf einem Spickzettel ein paar Klarstellungen (auch zu finden auf www.wenn-der-chef-nervt.de):
|188| Menschsein heißt nicht, dass mein Chef …
an meinem gesamten Privatleben teilhaben, sich alle meine Geschichten anhören und ständig auf meine täglichen Launen Rücksicht
nehmen muss,
jeden Arbeitsauftrag in Watte verpacken muss und mir nur noch wortreich unter vielen Entschuldigungen und freundlichen Worten
erteilen darf,
mir aufmunternd zunicken muss, wenn der private Plausch in der Kaffeeküche in die dritte Stunde geht,
nicht grundsätzlich kontrollieren darf, was und wie ich arbeite und wie ich die Arbeitsmittel benutze, die er mir zur Verfügung
stellt,
meine Fehler nicht kritisieren und von mir erwarten darf, dass ich sie nicht ein zweites Mal mache.
Das Arschloch-Dilemma
Nun haben wir viel darüber gesprochen, dass manche Vorgesetzte manche menschlichen Züge aus Produktivitätsgründen etwas kritisch
sehen.
Wie steht es aber mit den Mitarbeitern?
Auch bei den Mitarbeitern untereinander gibt es eine traurige Entwicklung: Immer mehr macht sich auch hier der Wunsch breit,
sich den Kontakt mit anderen Menschen bei der Arbeit möglichst vom Leib zu halten. Die Idee, den direkten Kontakt mit »echten«
Menschen aus seinem Arbeitsleben zu eliminieren, |189| hat Konjunktur. Timothy Ferriss empfiehlt sie in
Die 4-Stunden-Woche
jedem Mitarbeiter als Rezept für schnelleres Arbeiten und mehr Freizeit.
Auch der Journalist Markus Albers gibt in seinem
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