Ohne dich kein Sommer - Roman
einiges los. Mädchen sonnten sich in Shorts und Bikini-Oberteilen, ein paar Jungs spielten Ultimate Frisbee. Wir fanden einen Parkplatz direkt vor Conrads Wohnheim, und als wir gerade unauffällig durch die Tür wollten, kam ein Mädchen mit einem Korb voller Wäsche heraus. Ich fühlte mich so unglaublich jung und auch irgendwie verloren – ich war noch nie in einem College gewesen. Es war anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Lauter. Geschäftiger.
Jeremiah kannte sich aus, und ich musste mich beeilen, ihm hinterherzukommen. Er nahm immer zwei Stufen auf einmal, bis wir auf der zweiten Etage waren. Ich folgte ihm durch einen hell erleuchteten Gang. An einem Anschlagbrett gleich beim Aufzug hing ein Plakat mit der Aufschrift LET’S TALK ABOUT SEX, BABY . Daneben hingen Broschüren über Geschlechtskrankheiten und über das richtige Abtasten der Brust zur Vorsorge. Ringsherum waren neonfarbene Kondome kunstvoll angebracht. »Bedient euch!«, hatte jemand mit Textmarker daneben geschrieben, und in anderer Handschrift stand darunter: »Nimm zwei!«
An Conrads Tür stand sein Name und darunter »Eric Trusky«.
Conrads Mitbewohner war ein stämmiger, muskulöser Typ mit rötlich braunem Haar. Er öffnete uns im Unterhemd und mit kurzer Turnhose. »Was gibt’s?«, fragte er. So wie er mich anglotzte, erinnerte er mich an einen Wolf.
Statt mich geschmeichelt zu fühlen, dass ein College-Student mich so interessiert musterte, fand ich es einfach nur widerlich. Am liebsten hätte ich mich hinter Jeremiah versteckt, wie ich mich mit fünf, als ich extrem schüchtern war, hinter meiner Mutter versteckt hatte. Ich musste mich selbst daran erinnern, dass ich inzwischen sechzehn, fast siebzehn war. Eindeutig zu alt, um sich von einem Eric Trusky nervös machen zu lassen. Auch wenn Conrad mir erzählt hatte, dass Eric ihm ständig irgendwelche total abgedrehten Pornovideos schickte und den größten Teil des Tages am PC verbrachte. Außer zwischen zwei und vier, wenn er seine Soaps guckte.
Jeremiah räusperte sich. »Ich bin Conrads Bruder, und sie ist – eine Freundin von uns«, sagte er. »Weißt du, wo er ist?«
Eric zog die Tür auf und ließ uns ein. »Mann, ich hab keine Ahnung. Er war plötzlich weg. Hat Ari dich angerufen?«
»Wer ist Ari?«, fragte ich Jeremiah.
»Der Wohnheimtutor«, erklärte er mir.
Eric glotzte mich wieder an. »Wie heißt du?«
»Belly.« Ich beobachtete ihn und wartete auf eine Regung in seinem Gesicht, aus der ich schließen konnte, dass mein Name ihm etwas sagte, dass Conrad über mich gesprochen oder mich wenigstens erwähnt hatte. Aber natürlich war da nichts.
Er lehnte sich lässig an die Wand. »Belly? Wie süß! Ich bin Eric.«
»Hi«, sagte ich knapp.
»Conrad hat also nichts gesagt, wieso er wegwollte?«, unterbrach Jeremiah.
»Der sagt doch sowieso kaum was. Der ist so ’ne Art Android.« Dann grinste er mich an. »Das heißt, mit hübschen Mädchen redet er schon.«
Mir wurde leicht flau im Magen. Welche hübschen Mädchen meinte der denn? Jeremiah atmete hörbar aus und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Dann nahm er sein Handy aus der Tasche und starrte darauf, als könnte er auf dem Display eine Antwort finden.
Ich setzte mich auf Conrads Bett – blaues Laken, blaue Decke. Es war ungemacht. Im Sommerhaus machte Conrad sein Bett immer perfekt, wie im Hotel.
Hier also wohnte er. So sah sein Leben jetzt aus.
Viel hatte er nicht in diesem Wohnheimzimmer. Keinen Fernseher, keine Stereoanlage, keine Bilder an den Wänden. Von mir sowieso nicht, aber nicht mal eins von Susannah oder seinem Dad. Sein Computer, Kleidung, Schuhe, Bücher, das war schon alles.
»Hört mal, Leute, ich wollte eigentlich gerade los. Zum Landhaus von meinen Eltern. Sorgt ihr dafür, dass die Tür zu ist, wenn ihr geht? Und wenn ihr C. findet, dann sagt ihm, ich krieg noch einen Zwanziger von ihm für die Pizza.«
»Mach ich, keine Sorge.« Jeremiah mochte Eric nicht, das sah ich an seinem nur ganz knapp angedeuteten Lächeln. Er setzte sich an Conrads Schreibtisch und ließ seine Blicke durchs Zimmer wandern.
Jemand klopfte, und Eric schlenderte zur Tür, um aufzumachen. Ein Mädchen in Leggings und langärmligem T -Shirt und mit einer Sonnenbrille auf dem Kopf stand draußen. »Hab ich meinen Pullover hier liegen lassen?«, fragte sie ihn. Dabei spähte sie an ihm vorbei, so als suchte sie etwas. Jemanden.
Ob sie wohl was mit ihm hatte? , fragte ich mich. Das war mein erster
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