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Ohne dich kein Sommer - Roman

Ohne dich kein Sommer - Roman

Titel: Ohne dich kein Sommer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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hat meine Mom mir gestern auch schon gesagt. Das sind ja wirklich gute Neuigkeiten.«
    »Also, was ist mit deinem Matheproblem? Vielleicht kann ich dir mit ein paar Eselsbrücken helfen.«
    Von dem Tag an gab Conrad mir übers Telefon Nachhilfe. Erst passte ich gar nicht richtig auf, ich fand es einfach schön, seiner Stimme zu lauschen, ihm dabei zuzuhören, wie er Dinge erklärte. Aber dann fing er an, mich abzufragen, und ich wollte ihn nicht enttäuschen. Daraus wurden nach und nach regelrechte Nachhilfestunden. So wie meine Mutter grinste, wenn abends das Telefon läutete, war mir klar, dass sie eine Liebesgeschichte vermutete, und ich ließ sie in dem Glauben. Es war leichter so. Außerdem, ich geb’s zu, war es eine schöne Vorstellung, dass andere Leute uns für ein Liebespaar hielten. Ich wollte, dass sie es glaubten. Ich wusste, es war nicht die Wahrheit, noch nicht, aber es konnte doch wahr werden. Eines schönen Tages. Das sagte mir mein Gefühl. Und in der Zwischenzeit hatte ich meinen privaten Mathelehrer. Trigonometrie fing sogar an, mir richtig Spaß zu machen. Conrad schaffte es, dass mir völlig unmögliche Dinge plötzlich einleuchteten. Nie habe ich ihn mehr geliebt als während jener abendlichen Unterrichtsstunden am Telefon, als er immer wieder dieselben Probleme mit mir durchging, bis ich sie endlich kapiert hatte.
    Jeremiah kam zurück, und ich schloss schnell die Faust um den Anhänger, bevor er ihn sehen konnte.
    »Und, wie sieht’s aus?«, fragte ich. »Ist dein Dad immer noch sauer? Was hat er gesagt?«
    »Er wollte selbst nach Cousins fahren, aber ich konnte es ihm gerade noch ausreden. Zurzeit ist es sowieso völlig ausgeschlossen, dass Conrad auf ihn hört. Wenn Dad jetzt da auftauchte, würde das alles bloß noch schlimmer machen.« Jeremiah setzte sich aufs Bett. »Tja, sieht ganz so aus, als kämen wir diesen Sommer doch noch nach Cousins.«
    Kaum hatte er das gesagt, wurde die Vorstellung in meinem Kopf mit einem Mal ganz konkret. Conrad wiederzusehen war plötzlich nicht mehr nur eine entfernte Möglichkeit, eine Fantasie. Es würde wirklich geschehen. Gleich vergaß ich all meine großen Pläne, Conrad zu retten, und platzte heraus: »Vielleicht solltest du mich unterwegs absetzen.«
    Jeremiah starrte mich an. »Ist das dein Ernst? Ich schaff das nicht allein. Du hast ja keine Ahnung, wie schlimm die letzte Zeit war. Seit meine Mom wieder krank geworden ist, ist Conrad in dieser irren, selbstzerstörerischen Stimmung. Dem ist alles nur noch scheißegal.« Und nach einer kurzen Pause sagte er: »Aber es ist ihm noch immer wichtig, wie du über ihn denkst, das weiß ich.«
    Meine Lippen fühlten sich plötzlich ganz trocken an, ich fuhr mit der Zunge darüber. »Da wäre ich mir nicht so sicher.«
    »Ich schon, ich kenne meinen Bruder. Bitte, komm einfach mit, ja?«
    Ich dachte wieder an das, was ich als Letztes zu Conrad gesagt hatte, und fühlte brennende Scham in mir. Man sagt so etwas nicht zu jemandem, dessen Mutter gerade gestorben ist. Das geht einfach nicht. Wie sollte ich ihm je wieder ins Gesicht sehen? Ausgeschlossen.
    »Ich bring dich rechtzeitig zu deiner Bootsparty wieder zurück, wenn es das ist, was dir Sorgen macht«, sagte Jeremiah in dem Moment, und diese Bemerkung war so absolut untypisch für ihn, dass sie mich schlagartig aus meinem Gefühl der Scham herausriss. Ich starrte ihn wütend an. »Glaubst du im Ernst, eine blöde Bootsparty ist mir so wichtig?«
    Er sah mich spöttisch an. »Du stehst doch auf Feuerwerk.«
    »Halt die Klappe«, sagte ich, und er grinste breit. »Okay, du hast gewonnen. Ich komm mit.«
    »Na schön.« Jeremiah stand auf. »Dann können wir ja fahren. Ich geh nur noch mal schnell zum Klo. Ach, und – Belly?«
    »Ja?«
    Er sah mich schmunzelnd an. »Ich wusste, dass du nachgibst. Du hattest sowieso keine Chance.«
    Ich warf ihm ein Kissen an den Kopf, aber er wich blitzschnell aus und verschwand mit einem kleinen Siegestanz zur Tür.
    »Hau schon ab, und geh pinkeln, du Idiot!«
    Als er draußen war, zog ich die Kette an, ließ den Anhänger aber unter meinem Tank Top verschwinden. So fest hatte ich ihn in der Hand gehalten, dass das Unendlichkeitszeichen einen deutlichen Abdruck in meiner Handfläche hinterlassen hatte.
    Wieso habe ich das gemacht? Wieso habe ich die Kette angezogen? Wieso habe ich sie nicht einfach eingesteckt oder in die Schachtel zurückgelegt? Ich kann es nicht erklären. Ich weiß nur, dass ich sie unbedingt

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