Ohne dich kein Sommer - Roman
der Einfahrt. Ich hatte gedacht, er wolle bei Laurel übernachten und von dort direkt zum College fahren. Ich schaute kurz bei ihm rein, aber er schlief, und bald war ich selbst auch hinüber.
Abends bestellten wir Essen beim Chinesen. Mom hatte angeblich Lust darauf, doch als es kam, rührte sie nichts an.
Wir aßen auf der Couch im Fernsehzimmer. Bevor Mom krank wurde, wäre so etwas bei uns völlig unmöglich gewesen. »Und?«, fragte sie und schaute Conrad ganz gespannt an. So voller Energie war sie den ganzen Tag über noch nicht gewesen.
Er schob sich gerade eine Frühlingsrolle rein, als hätte er es sehr eilig. Außerdem hatte er seine ganze schmutzige Wäsche mitgebracht. Sollte Mom die etwa für ihn waschen? »Was und?«, fragte er.
»Den ganzen Tag warte ich jetzt schon auf deinen Bericht vom Ball! Dabei will ich doch alles wissen.«
»Ach so, das«, sagte er. Er guckte verlegen drein, und ich wusste, er wollte nicht darüber sprechen. Garantiert hatte er irgendwelchen Mist gebaut.
»Ach so, das«, echote meine Mom spöttisch. »Nun komm schon, Connie, ein paar Details wirst du mir doch wohl liefern. Wie sah sie aus in ihrem Kleid? Habt ihr getanzt? Ich will alles hören. Ich warte noch darauf, dass Laurel mir die Fotos mailt.«
»Es war ganz okay«, sagte Conrad.
»Das ist alles?«, fragte ich. Ich war so sauer auf ihn an diesem Abend. Alles an ihm ärgerte mich. Er hatte Belly zu ihrem Ball begleiten dürfen und so getan, als wäre das wer weiß wie lästig. Ich an seiner Stelle hätte alles richtig gemacht.
Conrad ignorierte mich. »Sie sah wirklich hübsch aus. Sie hatte so ein lila Kleid an.«
Meine Mom nickte lächelnd. »Ich weiß genau, welches. Und die Blumen?«
Er rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum. »Sahen auch nett aus.«
»Für welche Art Corsage hast du dich denn am Ende entschieden – die zum Anstecken oder die fürs Handgelenk?«
»Zum Anstecken.«
»Habt ihr viel getanzt?«
»Dauernd«, sagte er. »Praktisch zu jedem Lied.«
»Was war denn das Motto?«
»Ich weiß gar nicht mehr«, sagte Conrad, aber als er merkte, wie enttäuscht meine Mutter aussah, schob er schnell hinterher: »Ich glaube: ›Eine Nacht auf dem Kontinent‹. So eine Tour quer durch Europa eben. Mit einem großen Eiffelturm mit Weihnachtsbeleuchtung und einer London Bridge, über die man wirklich gehen konnte. Und einem Schiefen Turm von Pisa.«
Ich warf ihm einen Blick zu. »Eine Nacht auf dem Kontinent« war im vergangenen Jahr das Motto für den Ball an meiner Schule gewesen. Ich weiß es noch, weil ich dabei war.
Aber anscheinend erinnerte meine Mutter sich nicht mehr, denn sie sagte: »Ach, das hört sich wirklich hübsch an. Ich wünschte, ich wäre bei Laurel gewesen und hätte Belly geholfen, sich zurechtzumachen. Heute Abend ruf ich Laurel an, damit sie mir endlich die Bilder schickt. Was meinst du, wann du die Aufnahmen vom Fotografen bekommst? Ich will sie rahmen lassen.«
»Ich weiß nicht genau«, sagte er.
»Frag Belly, ja?« Sie stellte ihren Teller auf den Couchtisch und lehnte sich in die Kissen zurück. Mit einem Mal sah sie sehr erschöpft aus.
»Mach ich«, sagte Conrad.
»Ich glaube, ich gehe jetzt ins Bett«, sagte sie. »Jere, würdest du bitte hier aufräumen?«
»Klar, Mom«, sagte ich und half ihr auf.
Sie gab uns beiden einen Kuss auf die Wange und ging in ihr Schlafzimmer. Wir hatten ihr Arbeitszimmer nach oben verlegt und ihr Schlafzimmer nach unten; so musste sie nicht immer Treppen steigen.
Als sie gegangen war, sagte ich ironisch: »Soso, ihr habt also die ganze Nacht getanzt, wie?«
Conrad lehnte seinen Kopf an die Rückenlehne der Couch. »Kannst du mal aufhören?«
»Bist du überhaupt da gewesen, beim Ball? Oder hast du Mom komplett angelogen?«
Er funkelte mich an. »Doch, ich war da.«
»Jedenfalls glaube ich kaum, dass ihr zwei die ganze Nacht getanzt habt.« Ich kam mir ziemlich blöd vor, aber ich konnte es auch nicht lassen.
»Du nervst total! Was geht dich überhaupt dieser Ball an?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich hoffe bloß, du hast ihr nicht den Abend versaut. Was machst du überhaupt hier?«
Ich erwartete, dass er wütend werden würde; im Grunde hoffte ich es sogar. Aber er sagte nur: »Wir können nicht alle Ballkönig sein.« Er machte sich daran, die Pappschachteln vom Chinesen zu verschließen. »Bist du fertig mit Essen?«
»Ja, ich bin fertig.«
14
Als wir auf dem Campus ankamen, war auf dem Rasen vor den Gebäuden
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