Ohne dich kein Sommer - Roman
schmunzeln.
Er ließ den Motor an.
»Ich kann’s nicht glauben, dass du wirklich hier bist«, sagte ich.
Er klang fast scheu, als er antwortete: »Ich auch nicht.« Dann zögerte er. »Kommst du trotzdem mit?«
Unfassbar, dass er noch fragte. Überall würde ich mit ihm hingehen. »Ja«, antwortete ich. Außerhalb dieses einen Wortes, dieses Moments schien nichts zu existieren. Es gab nur uns. Alles, was in diesem Sommer geschehen war und in jedem Sommer davor, alles hatte darauf hingeführt. Auf diesen Moment. Jetzt.
Neben ihm im Auto zu sitzen war wie ein völlig unerwartetes Geschenk. Wie das tollste Weihnachtsgeschenk meines Lebens fühlte es sich an. Denn er lächelte mich immer wieder an. In letzter Zeit hatte ich ihn öfter niedergeschlagen oder unglücklich oder steif erlebt, doch an diesem Abend wirkte er ganz anders – locker, direkt überschäumend. All seine besten Seiten kamen endlich wieder zum Vorschein
Wieder schaute er zu mir herüber. »Ich glaube, ich werde Arzt«, sagte er.
»Echt? Wow!«
»Medizin ist wirklich ein spannendes Fach. Eine Zeit lang dachte ich, ich würde gern in die Forschung gehen, aber inzwischen habe ich mir überlegt, dass ich doch lieber direkt mit Menschen arbeiten möchte.«
Ich zögerte kurz, bevor ich fragte: »Hat das mit deiner Mom zu tun?«
Er nickte. »Siehst du, es geht ihr besser. Und das war nur möglich dank der heutigen medizinischen Möglichkeiten. Sie spricht wirklich gut an auf diese neue Therapie. Hat deine Mutter dir schon davon erzählt?«
»Ja, hat sie«, sagte ich, dabei stimmte das gar nicht. Vermutlich wollte sie mir keine Hoffnungen machen. Vermutlich wollte sie sich selbst keine Hoffnungen machen.
So war meine Mutter nun mal. Sich zu freuen erlaubte sie sich erst, wenn sie sich einer Sache ganz sicher sein konnte. Ich selbst war da ganz anders. Ich fühlte mich schon jetzt froh und erleichtert. Susannah ging es besser, ich war bei Conrad, alles lief genau nach Wunsch.
Ich lehnte mich zu ihm hinüber und drückte seinen Arm. »Das ist die beste Neuigkeit überhaupt«, sagte ich, und genauso meinte ich es auch.
Er lächelte mich an, und was er empfand, stand klar in seinem Gesicht zu lesen: Hoffnung.
Im Sommerhaus war es eisig. Wir warfen die Heizung an, und Conrad machte Feuer im Kamin. Ich sah zu, wie er sich davorhockte, Papier zerknüllte und die Holzscheite sorgsam aufstellte. Plötzlich machte mich die Tatsache, dass wir zum ersten Mal ganz allein hier waren, nervös, aber dazu bestand kein Grund. Als das Feuer brannte, ließ Conrad sich auf den Sitzsack fallen, statt sich zu mir auf die Couch zu setzen. Auf einmal ging mir der Gedanke durch den Kopf: Er war genauso nervös. Conrad, der sonst nie nervös wurde. Niemals.
»Warum sitzt du so weit weg?«, fragte ich, und dabei hörte ich, wie mein Herz wild pochte. Ich konnte es selbst kaum glauben, dass ich den Mut gehabt hatte, laut auszusprechen, was ich dachte.
Conrad schien ebenso überrascht, doch er stand auf und setzte sich zu mir. Vorsichtig rückte ich ein Stück näher an ihn heran. Ich wollte, dass er einen Arm um mich legte. Ich wollte all das tun, was ich bisher nur im Fernsehen gesehen oder wovon Taylor mir erzählt hatte. Na ja, vielleicht nicht alles, aber einiges.
Leise sagte Conrad: »Ich möchte nicht, dass du Angst hast.«
»Hab ich auch nicht«, flüsterte ich. Aber ich hatte sehr wohl Angst. Nicht vor Conrad, aber vor meinen eigenen Gefühlen. Manchmal überwältigten sie mich einfach. Was ich für Conrad empfand, war größer als alles, größer als die ganze Welt.
»Gut«, sagte er kaum hörbar, und dann küsste er mich.
Er küsste mich lange und langsam, und obwohl wir uns schon einmal geküsst hatten, hatte ich es mir nie so vorgestellt. Er ließ sich Zeit, strich mir ganz leicht mit der Hand über mein Haar, so wie man vielleicht im Vorübergehen durch ein Windspiel streicht.
Ihn so zu küssen, so mit ihm zusammen zu sein … das fühlte sich an, wie wenn man an einem Sommertag kühle, süße Limonade trinkt, mit einem langen Strohhalm, gelassen, lustvoll. Das könnte immer so weitergehen, dachte ich, er soll nie mehr aufhören, mich zu küssen.
Wir saßen auf der Couch und küssten uns, und ob es Minuten oder Stunden waren, weiß ich nicht. Mehr taten wir auch nicht in jener Nacht. Er war so behutsam mit mir, berührte mich, als wäre ich kostbarer, zerbrechlicher Weihnachtsschmuck.
»Geht’s dir gut?«, flüsterte er einmal.
Als ich eine Hand
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