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Ohne dich kein Sommer - Roman

Ohne dich kein Sommer - Roman

Titel: Ohne dich kein Sommer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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stumm in der Küche. Keinem von uns war nach Reden zumute, mir schon gar nicht. Ich hätte ja nicht einmal hier sein sollen. Ausnahmsweise einmal wünschte ich mir, zu Hause zu sein, bei meiner Mutter und Steven und Taylor, nur weit weg von alldem hier.
    Jeremiah war der Erste, der das Schweigen brach, doch es klang mehr nach einem Selbstgespräch. »Ich kann es nicht glauben, dass er das Haus allen Ernstes verkaufen will.«
    »Du solltest es aber glauben«, sagte Conrad grob.
    »Wieso hast du mir nichts davon gesagt?«, wollte Jeremiah wissen.
    Conrad warf mir einen Blick zu, dann sagte er: »Ich war nicht der Meinung, dass du das wissen müsstest.«
    Jeremiahs Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Verdammt noch mal, was soll das, Conrad? Es ist genauso gut mein Haus.«
    »Jere, ich weiß es doch selbst erst seit Kurzem.« Conrad stützte die Arme auf den Küchentresen, den Kopf hielt er gesenkt. »Ich war zu Hause, um mir ein paar Klamotten zu holen. Zufällig rief genau da die Maklerin an, diese Sandy, und hinterließ eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Sie sagte, die Umzugsfirma sei bestellt, um das Haus leer zu räumen. Da bin ich nur schnell zum College gefahren, hab ein paar Sachen zusammengepackt und bin direkt hierhergekommen.«
    Conrad hatte das College und alles andere aufgegeben, um herzukommen, und wir hatten allen Ernstes geglaubt, er sei ein Versager, den wir retten müssten. Dabei war in Wirklichkeit er der Retter.
    Ich fühlte mich ganz schön mies, weil ich gar nicht auf den Gedanken gekommen war, dass er vielleicht gute Gründe für sein Verhalten hatte, und ich wusste, Jeremiah ging es genauso. Wir tauschten einen kurzen Blick, und ich wusste, wir dachten beide dasselbe. Doch dann fiel ihm wohl wieder ein, dass er auch auf mich sauer war, und schaute weg.
    »Das war’s dann ja wohl«, sagte er.
    Conrad antwortete nicht sofort. Irgendwann schaute er auf und sagte: »Tja, das war’s wohl.«
    »Aber – das war toll von dir, dass du dich gekümmert hast, Con.«
    »Nur ist leider alles an mir hängen geblieben«, fuhr Conrad ihn an. »Du warst mir ja keine Hilfe.«
    »Wenn du was gesagt hättest –«
    Conrad fiel ihm ins Wort. »Dann hättest du was gemacht?«
    »Ich hätte mit Dad geredet.«
    »Eben.« Verächtlicher hätte Conrad nicht klingen können.
    »Was soll das denn jetzt heißen?«
    »Das soll heißen, dass du so damit beschäftigt bist, ihm in den Arsch zu kriechen, dass du gar nicht siehst, wie er wirklich ist.«
    Jeremiah antwortete nicht gleich, und ich bekam wirklich Angst, was als Nächstes passieren könnte. Conrad suchte den Kampf, und das war nun wirklich das Letzte, was wir brauchen konnten – dass die zwei sich hier auf dem Küchenboden prügelten und am Ende alle beide verletzt und die Möbel demoliert waren. Und dieses Mal war meine Mutter nicht da, um die beiden auseinanderzubringen. Nur ich war da, und das war kaum mehr als nichts.
    Aber dann sagte Jeremiah: »Er ist unser Vater.« Seine Stimme klang ruhig, beherrscht, und ich atmete erleichtert aus, wenn auch nur ganz leise. Es würde keine Prügelei geben, und zwar deswegen nicht, weil Jeremiah das nicht zulassen würde. Ich bewunderte ihn dafür.
    Doch Conrad schüttelte nur angewidert den Kopf. »Ein Drecksack ist er.«
    »Red nicht so von ihm.«
    »Wer macht denn so was – betrügt erst seine Frau und verlässt sie dann, wenn sie Krebs hat? Welcher Mann macht so was? Ich kann ihn nicht mal ansehen, ich ertrag’s einfach nicht. Es kotzt mich an, wie er auf einmal den Leidenden spielt, den trauernden Witwer. Wo war er denn, als Mom ihn brauchte, Jere?«
    »Ich weiß es nicht, Conrad. Wo warst du?«
    Es wurde ganz still im Raum, die Atmosphäre war so geladen, dass ich dachte, die Luft müsste knistern. Conrad war zusammengezuckt, Jeremiah hatte scharf die Luft eingesogen, kaum, dass seine Frage draußen war. Er hätte sie gern zurückgenommen, das merkte ich, und er öffnete auch schon den Mund, als Conrad kühl bemerkte: »Das war ein Schlag unter die Gürtellinie.«
    »Tut mir leid«, sagte Jeremiah.
    Conrad zuckte nur mit den Achseln, so als wäre ihm alles völlig egal.
    Jeremiah sagte: »Wieso kannst du Dinge nicht einfach mal gut sein lassen? Wieso klammerst du dich an allen Scheiß, der dir je im Leben passiert ist?«
    »Weil ich in der Wirklichkeit lebe, im Unterschied zu dir. Du flüchtest dich doch in eine Fantasiewelt, statt die Leute so zu sehen, wie sie sind.« So wie er das sagte, fragte ich mich,

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