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Ohne dich kein Sommer - Roman

Ohne dich kein Sommer - Roman

Titel: Ohne dich kein Sommer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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stand er auf und ging in sein Zimmer, ohne abzuwarten, was Mr. Fisher noch sagen würde. Das musste er auch nicht. Meine Mutter hatte gewonnen. Sie hatte es geschafft.
    Jeremiah und ich warteten noch ein Weilchen, dann, als es uns sicher schien, gingen wir wieder nach unten. Meine Mutter und Mr. Fisher saßen da und tranken wie gesittete Erwachsene zusammen Kaffee. Seine Augen waren rot gerändert, doch Mom hatte den leuchtenden Blick einer Siegerin. Als Mr. Fisher uns sah, fragte er: »Wo ist Conrad?«
    Wie viele Male hatte ich diese Frage von ihm gehört: »Wo ist Conrad?« Hunderte Male. Tausende.
    »Oben«, sagte Jeremiah.
    »Hol ihn bitte, Jere, ja?«
    Jeremiah zögerte und sah meine Mutter an. Als sie nickte, stürmte er die Treppe hinauf und kehrte gleich darauf mit Conrad zurück. Conrads Miene war verschlossen, sein Blick wachsam.
    »Ich schlag dir einen Deal vor«, sagte Mr. Fisher. Jetzt war er wieder ganz der Alte, der verhandlungsgewohnte Machtmensch. Wenn er Deals aushandeln konnte, war er in seinem Element. Schon als wir Kinder waren, hatte er uns immer solche Tauschgeschäfte angeboten. Zum Beispiel sagte er, er würde uns zur Gokart-Bahn fahren, wenn wir den Sand aus der Garage fegten. Oder er bot den Jungs an, mit ihnen zum Fischen rauszufahren, wenn sie vorher den Angelkasten aufräumten.
    Misstrauisch fragte Conrad: »Was forderst du? Das Geld, das für mein Studium angelegt ist?«
    Mr. Fishers Gesichtszüge wurden angespannt. »Nein. Ich will, dass du morgen ans College zurückkehrst. Ich will, dass du deine Prüfungen ablegst. Wenn du das schaffst, gehört das Haus euch. Dir und Jeremiah.«
    Jeremiah jubelte laut auf. »Ja!«, rief er. Er breitete die Arme aus und umarmte seinen Vater nach Männerart, und Mr. Fisher klopfte ihm auf den Rücken.
    »Wo ist der Haken?«, fragte Conrad.
    »Es gibt keinen. Aber du musst mindestens ein C in allen Fächern schaffen. Kein D und kein F .« Mr. Fisher war immer schon stolz gewesen auf seine harte Verhandlungsführung. »Abgemacht?«
    Conrad zögerte. Mir war sofort klar, was ihm an der Sache missfiel. Er wollte seinem Dad nichts schuldig sein. Auch wenn er bekam, was er wollte, auch wenn es genau das war, weswegen er hergekommen war. Von seinem Dad wollte er nichts annehmen.
    »Ich hab nicht gelernt«, sagte er. »Kann sein, dass ich nicht bestehe.«
    Er testete ihn nur aus. Noch nie hatte Conrad irgendeine Prüfung nicht bestanden. Nie hatte er eine schlechtere Note als ein B bekommen, und auch das nur in extrem seltenen Fällen.
    »Dann ist unser Abkommen geplatzt«, antwortete Mr. Fisher. »So sind die Bedingungen.«
    Jeremiah redete auf ihn ein: »Mann, Conrad, sag Ja. Wir helfen dir auch beim Lernen. Stimmt’s, Belly?«
    Conrad sah mich an, und ich sah meine Mutter an. »Kann ich, Mom?«
    Meine Mutter nickte. »Du kannst bleiben, aber morgen kommst du nach Hause.«
    »Nimm an, Conrad«, sagte ich.
    »Also gut«, sagte er schließlich.
    Mr. Fisher hielt ihm die Hand hin. »Dann schlag ein wie ein Mann!«
    Widerwillig streckte Conrad den Arm aus, und sie schüttelten sich die Hände. Meine Mutter fing meinen Blick auf und wiederholte stumm: Schlag ein wie ein Mann ! Ich wusste, was sie dachte – was für ein Macho dieser Mr. Fisher doch war! Aber das war jetzt egal. Wir hatten gewonnen.
    »Danke, Dad«, sagte Jeremiah. »Ehrlich – vielen Dank!«
    Er umarmte seinen Vater noch einmal, und der erwiderte die Umarmung, bevor er sagte: »Ich muss zurück in die Stadt.« Dann nickte er mir zu. »Danke, dass du Conrad hilfst, Belly.«
    »Gerne«, sagte ich. Aber worauf sich das bezog, wusste ich eigentlich gar nicht, denn im Grunde hatte ich ja nichts getan. Meine Mutter hatte Conrad in einer halben Stunde mehr geholfen als ich in all den Jahren, die ich ihn kannte.
    Als Mr. Fisher gegangen war, stand meine Mutter auf und fing an, das Geschirr abzuspülen. Ich ging zu ihr hin und half. Für einen Moment legte ich den Kopf auf ihre Schulter und sagte: »Danke.«
    »Gerne.«
    »Du warst verflucht gut, Mom.«
    »Du sollst nicht fluchen«, sagte sie, aber ihre Mundwinkel gingen nach oben.
    »Das musst du gerade sagen.«
    Dann spülten wir schweigend weiter ab. Meine Mutter hatte wieder diesen traurigen Gesichtsausdruck, und ich wusste, sie dachte an Susannah. Ich wünschte, ich könnte irgendwas sagen, damit sie nicht mehr so traurig aussah, aber für manche Dinge gab es einfach keine Worte.
    Alle drei brachten wir Mom zu ihrem Wagen. »Und ihr sorgt dafür,

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