Ohne dich kein Sommer - Roman
Jungs, dass sie morgen wieder zu Hause ist?«, fragte sie, während sie ihre Tasche auf den Beifahrersitz warf.
»Ganz sicher«, sagte Jeremiah.
»Laurel«, begann Conrad. Er zögerte. »Du kommst doch wieder, ja?«
Überrascht drehte meine Mutter sich um. Überrascht und gerührt. »So eine alte Dame wollt ihr bei euch haben?«, fragte sie. »Aber klar, ich komme – wann immer ihr es wollt.«
»Wann?«, fragte Conrad. Dabei sah er so jung aus, so verletzlich, dass es mir einen kleinen Stich ins Herz gab.
Meiner Mutter ging es vermutlich genauso, denn sie streckte eine Hand aus und strich ihm übers Gesicht. Das machte sie sonst nie, es war so gar nicht ihre Art. Aber es war eine typische Susannah-Geste. »Noch diesen Sommer und dann noch einmal, wenn wir das Haus für den Winter dichtmachen.«
Dann stieg sie ein. Sie winkte uns noch einmal zu, als sie rückwärts aus der Einfahrt fuhr, die Sonnenbrille auf der Nase, das Fenster geöffnet. »Bis bald«, rief sie.
Jeremiah winkte, und Conrad rief: »Bis bald!«
Meine Mutter hatte mir einmal erzählt, dass Conrad sie, als er noch sehr klein war, immer seine Laura genannt hatte. »Wo ist meine Laura?«, hatte er gefragt, wenn er auf der Suche nach ihr durchs ganze Haus lief. Überallhin sei er ihr gefolgt, hatte sie erzählt, selbst ins Bad. Er habe sie seine Freundin genannt und ihr Muscheln und Sandkrabben vom Strand gebracht und zu Füßen gelegt. Als sie mir davon erzählte, dachte ich: Was würde ich darum geben, wenn Conrad mich als seine Freundin bezeichnete und mir Muscheln brächte!
»Ich bin sicher, er weiß das alles nicht mehr«, hatte sie gesagt und ein bisschen wehmütig gelächelt.
»Warum fragst du ihn nicht?«, hatte ich vorgeschlagen. Ich liebte Geschichten über den kleinen Conrad. Ich liebte es, ihn damit aufzuziehen, weil es sonst so selten Gelegenheit gab, ihn zu necken.
»Nein, damit würde ich ihn nur in Verlegenheit bringen«, hatte meine Mutter geantwortet. »Na und?«, hatte ich gemeint. »Das ist doch der Sinn der Sache.«
»Conrad ist sensibel«, hatte sie gesagt. »Er hat seinen Stolz. Lass ihm den.«
So wie sie das sagte, wusste ich, sie verstand ihn wirklich. Auf eine Weise, wie ich es nicht vermochte. Es machte mich eifersüchtig, auf sie und auf ihn.
»Und ich, wie war ich?«, fragte ich oft.
»Du? Du warst mein Baby.«
»Aber wie war ich?«, bohrte ich weiter.
»Du bist immer hinter den Jungs hergerannt. Es war so niedlich, wie du ihnen auf Schritt und Tritt gefolgt bist, sie auf alle möglichen Arten beeindrucken wolltest.« Meine Mutter lachte. »Sie haben dich oft dazu gebracht, dass du für sie getanzt oder irgendwelche Kunststückchen gemacht hast.«
Die Vorstellung passte mir gar nicht. »Wie ein Hündchen?«
Sie winkte ab. »Ach, dir hat das gefallen. Du wolltest einfach nur dazugehören.«
37
Jeremiah
An dem Tag, als Laurel kam, sah es in unserem Haus absolut chaotisch aus, und ich stand gerade in Boxershorts da und bügelte mein weißes Oberhemd. Ich war spät dran für das Abschlussfest an der Highschool, und überhaupt war ich schlecht drauf – meine Mom hatte den ganzen Tag über kaum zwei Worte gesprochen, und selbst Nona war es nicht gelungen, sie aufzumuntern.
Ich hatte versprochen, Mara abzuholen, und sie hasste es, wenn ich zu spät kam. Dann wurde sie stinksauer und saß so lange da und schmollte, wie ich sie hatte warten lassen.
Ich stellte das Bügeleisen einen Moment lang ab, um das Hemd umzudrehen, und verbrannte mir prompt die Unterseite vom Arm. Es tat gemein weh, und ich habe laut »Scheiße!« gebrüllt.
In dem Moment tauchte Laure plötzlich auf. Sie kam zur Haustür herein und sah, wie ich da im Wohnzimmer stand, in meinen Boxershorts, und mir den Arm hielt.
»Lass kaltes Wasser drüberlaufen«, sagte sie. Ich rannte in die Küche und hielt meinen Arm minutenlang unter den Wasserhahn. Als ich zurückkam, hatte sie mein Hemd fertig gebügelt und sich schon an meine Chinos gemacht.
»Trägst du sie mit Bügelfalten?«, wollte sie wissen.
»Äh – ja«, sagte ich. »Aber was tust du eigentlich hier, Laurel? Heute ist doch Dienstag.« Laurel kam normalerweise an Wochenenden und übernachtete dann im Gästezimmer.
»Ich hatte heute Nachmittag frei«, sagte sie, während sie mit dem Eisen über die Vorderseite meiner Hose fuhr. »Ich wollte einfach nur mal nach dem Rechten sehen.«
»Mom schläft schon«, sagte ich. »Seit sie diese neue Medizin nimmt, schläft sie
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