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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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Nervenkostüm momentan nicht zum Besten stand. Ich schätzte das ähnlich ein. Aber trotzdem.
    »Alles okay?«, fragte Cynthia.
    »Wunderbar. Ich bin nur ein bisschen müde«, sagte ich, nackt bis auf meine Boxershorts. Ich putzte mir die Zähne und schlüpfte zu Cynthia unter die Decke. Sie warf die Zeitschrift auf den Boden und machte das Licht aus, ehe sie den Arm um mich legte. Sie streichelte meine Brust und ließ ihre Hand langsam abwärts wandern.
    »Bist du sehr müde?«, flüsterte sie.
    »So müde nun auch wieder nicht«, sagte ich und drehte mich zu ihr.
    »Bei dir fühle ich mich ganz sicher und geborgen«, sagte sie und hob mir ihren Mund entgegen.
    »Keine Asteroiden in Sicht«, sagte ich, und wäre das Licht noch an gewesen, hätte ich bestimmt ein Lächeln auf ihrem Gesicht gesehen.

    Cynthia schlief schnell ein. Ich leider nicht.
    Ich starrte an die Decke, drehte mich zur Seite und starrte auf den Digitalwecker, rollte mich wieder auf den Rücken und starrte erneut die Zimmerdecke an. Gegen drei Uhr morgens bemerkte Cynthia, dass ich wach war. »Alles in Ordnung?«, fragte sie schlaftrunken.
    »Alles okay«, sagte ich. »Schlaf ruhig weiter.«
    Es waren all die unbeantworteten Fragen, die mir auf der Seele lagen. Hätte ich nur ein paar Antworten auf die Fragen gehabt, die Cynthia unweigerlich stellen würde, hätte ich ihr sofort von dem Geld erzählt, das Tess für ihre Ausbildung erhalten hatte.
    Nein, das war nicht wahr. Ein paar Antworten hätten nur neue Fragen aufgeworfen. Angenommen, ich wüsste, dass das Geld von einem ihrer verschwundenen Familienmitglieder stammte. Angenommen, ich wüsste sogar, von wem.
    Die Frage nach dem Warum war damit noch lange nicht beantwortet.
    Angenommen, das Geld stammte von jemandem, der nicht zu ihrer Familie gehörte. Aber wem? Wer sonst hatte sich möglicherweise für Cynthia, für das Schicksal ihrer Familie verantwortlich genug gefühlt, um ihr so viel Geld zukommen zu lassen?
    Ich fragte mich, ob ich zur Polizei gehen sollte. Vielleicht konnten sie mittels der Umschläge und der Nachricht doch Spuren sichern, die zu weiteren Erkenntnissen führen würden.
    Immer vorausgesetzt natürlich, dass sich bei der Polizei noch irgendjemand für diesen uralten Fall interessierte, der vor Ewigkeiten zu den Akten gewandert war.
    Als der Fernsehbeitrag gedreht worden war, hatte der Sender Probleme gehabt, überhaupt jemanden zu finden, der seinerzeit mit dem Fall beschäftigt gewesen war. Bis sie schließlich diesen pensionierten Cop unten in Arizona aufgespürt hatten, diesen Mistkerl, der kalt lächelnd angedeutet hatte, Cynthia habe etwas mit dem Verschwinden ihrer Familie zu tun.
    Und so lag ich wach und grübelte über eine Tat, die Cynthia nicht begangen hatte, eine Tat, die mich immer wieder zur gleichen Erkenntnis kommen ließ: wie wenig wir eigentlich wussten.

    Während Cynthia und Grace sich nach Schuhen umsahen, schlug ich die Zeit in der Buchhandlung tot. Ich hielt einen frühen Philip Roth in der Hand, den ich aus irgendeinem unerfindlichen Grund noch nicht gelesen hatte, als Grace in die Buchhandlung stürmte, Cynthia im Schlepptau, die eine Einkaufstüte trug.
    »Ich sterbe vor Hunger«, sagte Grace, während sie die Arme um mich schlang.
    »Habt ihr Schuhe bekommen?«
    Sie trat einen Schritt zurück und ging in Vorführpose, streckte den einen und dann den anderen Fuß aus. Weiße Turnschuhe mit pinkfarbenen Streifen.
    »Und was ist in der Tüte?«, fragte ich.
    »Ihre alten Schuhe«, sagte Cynthia. »Sie wollte die neuen sofort anziehen. Hast du auch Hunger?«
    »Und wie.« Ich stellte das Buch wieder ins Regal, dann fuhren wir mit der Rolltreppe hinauf zur Restaurantebene. Ich gab Grace ein bisschen Geld, damit sie sich etwas bei McDonald’s kaufen konnte, während Cynthia und ich uns Suppe und Sandwiches holten. Cynthia sah wiederholt über die Schulter, um Grace nicht aus den Augen zu verlieren. Im Einkaufszentrum wimmelte es an diesem Samstag nur so von Menschen und auch die Restaurants waren gerammelt voll. Esgab noch ein paar freie Tische, aber es wurden rapide weniger.
    Cynthia war so damit beschäftigt, Grace im Auge zu behalten, dass ich unsere Tabletts allein weiterschob, Besteck und Servietten dazulegte und unsere Sandwiches und die Suppen entgegennahm.
    »Sieh mal, Grace hat uns einen Tisch organisiert«, sagte Cynthia. Ich ließ meinen Blick durch das Restaurant schweifen und erspähte Grace an einem Tisch für vier Personen; sie winkte

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