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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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die gellenden Schreie der Hellseherin, die Flut von Obszönitäten, die aus ihrem Mund sprudelte.
    Cynthia zerrte sie zur Tür und warf die Betrügerinhinaus. Keisha Ceylon verlor das Gleichgewicht, stürzte die Stufen hinunter und landete bäuchlings auf dem Rasen.
    Ehe Cynthia die Tür hinter ihr zuknallte, brüllte sie: »Lass uns ein für alle Mal in Frieden, du mieses, geldgieriges Stück!« Mit wildem Blick sah sie mich an, während sie versuchte, wieder zu Atem zu kommen.
    Ich fühlte mich, als müsste ich ebenfalls erst mal Luft holen.

DREIUNDZWANZIG
    Nach der Totenfeier nahm der Bestattungsunternehmer Cynthia, Grace und mich in seinem Cadillac mit zum Hafen von Milford, wo sein kleines Kajütschiff ankerte. Rolly Carruthers und seine Frau Millicent, die Pamela mitgenommen hatten, folgten uns in ihrem Wagen und gesellten sich zu uns auf das Schiff.
    Dann verließen wir den geschützten Hafen und fuhren hinaus in die Bucht; vom Schiff aus konnten wir die Strandhäuser am East Broadway sehen. Früher hatte ich mir immer gewünscht, ein solches Anwesen zu besitzen, doch seit der Hurrikan Gloria 1985 hier sein Unwesen getrieben hatte, dachte ich anders darüber. In Florida war ein Hurrikan nichts Besonderes, aber wenn man in Connecticut lebte, behielt man sie in bleibender Erinnerung.
    An diesem Tag herrschte glücklicherweise günstiges Wetter für unser Vorhaben; es wehte nur eine leichte Brise. Der Bestattungsunternehmer, dessen Freundlichkeit echt zu sein schien, hatte die Urne mit der Asche mitgebracht, die ins Meer gestreut werden sollte, so wie Tess es sich gewünscht hatte.
    Wir sprachen nicht viel, auch wenn Millicent zwischendurch versuchte, das Schweigen zu brechen. Sie legte den Arm um Cynthia und sagte: »Für die Erfüllungihres letzten Wunsches hätte Tess keinen schöneren Tag erwischen können.«
    Vielleicht hätten ihre Worte Cynthia ein wenig aufrichten können, wenn Tess an einer Krankheit gestorben wäre, aber wenn jemand eines gewaltsamen Todes stirbt, gibt es für die Hinterbliebenen wenig Trost.
    Millicent hatte es jedenfalls nur nett gemeint. Sie und Rolly kannten Cynthia schon seit einer kleinen Ewigkeit. Sie waren so etwas wie Onkel und Tante für sie und hatten sich über die Jahre rührend um sie gekümmert. Millicent war in derselben Straße wie Cynthias Mutter Patricia aufgewachsen und, obwohl Patricia ein paar Jahre älter gewesen war, ihre Freundin geworden. Millicent hatte schließlich Rolly geheiratet, Patricia ihren späteren Mann Clayton kennengelernt. Rolly und Millicent hatten Cynthia von Geburt an gekannt und ihr stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden, auch wenn es Rolly war, mit dem sie das engere Verhältnis verband.
    »Ja, ein wunderschöner Tag«, schloss sich Rolly seiner Frau an. Er trat zu Cynthia, den Blick aufs Deck geheftet, um bei dem leichten Seegang nicht das Gleichgewicht zu verlieren. »Aber das macht es einem auch nicht leichter, ich weiß.«
    Pam schwankte ein bisschen und wünschte wahrscheinlich, sie hätte weniger hohe Absätze angezogen. Sie nahm Cynthia in den Arm. »Warum nur?«, sagte Cynthia. »Tess hat nie jemandem etwas Böses getan.« Sie wischte sich die Augen. »Sie war meine letzte Verwandte. Jetzt sind alle fort.«
    Pam drückte sie an sich. »Wir wissen, was sie für dich getan hat. Es muss irgendein Verrückter gewesen sein.«
    Rolly schüttelte angewidert den Kopf, als wolle er damit ausdrücken, wie tief die Menschheit gesunken sei, ging zum Heck und starrte ins Kielwasser hinab. Ich trat zu ihm.
    »Danke, dass ihr gekommen seid«, sagte ich. »Es bedeutet Cyn sehr viel.«
    Er musterte mich verblüfft. »Soll das ein Witz sein? Du weißt genau, dass wir immer für euch da sind.« Abermals schüttelte er den Kopf. »Glaubt ihr das wirklich? Dass es irgendein Verrückter war?«
    »Nein«, sagte ich. »Ich jedenfalls nicht. Wer auch immer Tess umgebracht hat, hatte einen Grund.«
    »Was glaubt denn die Polizei?«, fragte er.
    »Soweit ich weiß, haben sie nicht die geringste Spur«, sagte ich. »Sobald ich von Cynthias verschwundener Familie anfange, sehen sie mich bloß müde an, als wäre das alles zu viel für sie. Sie wollen einfach nicht mit der Vergangenheit behelligt werden.«
    »Na ja, was erwartest du?«, fragte Rolly. »Die haben genug mit dem Hier und Jetzt zu tun.«
    Das Schiff verlangsamte sein Tempo und der Bestattungsunternehmer trat zu uns. »Mr Archer? Wir wären dann so weit.«
    Wir versammelten uns an der Reling,

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