Ohne Ende Leben - Roman
wirklich nur Flächenbrände sind?«, fragt Gonzo. Wir drei sind so angespannt wie die Saiten eines Instruments. Man könnte auf uns spielen.
»Kann schon sein«, antworte ich.
Balder zieht eine Rune aus seinem Beutel.
»Was kommt bei dir raus?«, fragt Gonzo.
Balder hält stirnrunzelnd eine völlig blanke Rune hoch.
»Die Wyrd-Rune. Der Anfang und das Ende. Schicksal.«
Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat, aber es trägt null dazu bei, mir die Angst zu nehmen. Fünf Meilen später verflüchtigt sich der Rauch und das Sonnenlicht glitzert grell auf dem Asphalt. Hinter uns heult eine Sirene und, ich schwör’s, mein Herzschlag drückt mir fast die Kehle zu.
»Scheiße«, sage ich, »cool bleiben, cool bleiben.«
Der Polizeiwagen schießt an uns vorüber. Sie jagen jemand anderen und wir atmen tief durch.
»Wir brauchen eine Tarnung«, sage ich, als wäre ich ein Profi und wüsste, wovon ich rede.
»Ich fürchte, wir können diesen Wagen nicht gegen einen anderen eintauschen«, grübelt Balder. »Er ist nicht mehr genügend wert.«
In diesem Augenblick entdecke ich drei Typen, die am Straßenrand lagern und ein Schild hochhalten, PARTIE HAUS. Das bringt mich auf eine Idee. Ein paar Meter vor ihnen fahre ich rechts ran.
Gonzo reißt die Augen auf. »Was tust du da, Alter?«
»Ich nehm sie mit. Wir fahren zu Disney und können sie in Daytona rauslassen. Das liegt auf dem Weg.«
Gonzo schlägt sich aufs Knie, kippt den Kopf nach hinten und schaut zur Wagendecke, als ob sie sein Elend verstehen könnte. »Man nimmt keine Tramper mit – niemals und unter keinen Umständen. Das ist die Art von Sicherheitsregel, die man nicht mal auf Kinderkakao druckt, weil jeder Arsch sie kennt.«
»Sie haben ›Party‹ falsch geschrieben. Wie weit kann ihr böser Geist entwickelt sein?«
Gonzo richtet sich auf, um einen besseren Blick auf die Typen werfen zu können. Die drängen sich zum Wagen und schleppen ihr Gepäck hinter sich her.
»Hör mal«, erkläre ich, »diese Jungs könnten unsere Tarnung sein, okay? Die Cops suchen zwei durchgedrehte Teens, keine Wagenladung voller Studenten auf dem Weg in die Frühlingsferien. Mit diesen Typen an Bord sehen wir aus wie jeder andere, der nach Daytona zur Frühlingsparty fährt. Damit fliegen wir unterm Radar durch.«
Balder ergreift das Wort. »Camerons Schlachtplan ist vernünftig. Aber ich habe diese Kerle schon mal gesehen. Sie machen Fotos«, sagt er und enthüllt damit sein posttraumatisches Gartenzwergstresssyndrom.
»Mach dir keine Sorgen, Balder. Niemand macht hier irgendwelche Fotos. Du bist völlig sicher«, sage ich.
»Ich denke, trotzdem ist es das Beste, wenn ich meine verzauberte Gestalt annehme. Ich sollte neben Gonzo sitzen.«
Balder klettert flink auf den Vordersitz und verwandelt sich genau in dem Augenblick wieder zum Gartenzwerg, als dieser große, teigige Typ die hintere rechte Tür aufreißt.
»Hey, Mann. Danke, dass du uns mitnimmst. Wir stehen hier schon Stunden rum.«
»Weil andere Menschen, normale Menschen, wissen, dass sie nicht anhalten sollen«, murmelt Gonzo.
»Null Problemo«, sage ich. »Ich werd euer Gepäck verstauen.«
Fünf Minuten später sind wir wieder auf der Interstate.
»Und von welcher Schule kommt ihr?«, fragt der teigige Typ, der in der Mitte sitzt.
»Texas Community College«, lüge ich.
»Gold Coast University«, sagt er und dann folgt ein ohrenbetäubendes Footballstadiongejohle: »Coast U! Coast U! Coast Uuuuuu!«
Der Typ, der links sitzt, sagt: »Wir nennen sie Coast U, weil sie dich dort im Nuuuuu durchschleusen. Du brauchst bis zur Abschlussprüfung nicht mal ’n Hauptfach wählen.«
Links und rechts des Highways erstrecken sich Tankstellen, Fast-Food-Restaurants, Möbelhäuser und gigantische Einkaufszentren. Die Autos stehen vor den Einfahrten zu den Parkplätzen Schlange.
Auf einer Reklametafel erscheint gerade eine neue Werbung – das Foto eines kleinen Mädchens, das eine Schneekugel in der Hand hält und ehrfürchtig lächelt. WIR SCHÜTZEN IHRE SICHERHEIT. WIR VERHINDERN DAS UNVORHERSEHBARE. WIR BEWAHREN IHR GLÜCK. DIE VEREINIGTEN SCHNEEKUGEL-GROSSHÄNDLER: WIR ARBEITEN, DAMIT SIE ES NICHT MÜSSEN!
»Ihr habt also kein Hauptfach belegt?«, frage ich und konzentriere mich wieder auf die Straße.
»Noch nicht. Ich will nur was, mit dem ich später ne schöne Stange Geld verdiene. Irgendeinen Schreibtischjob, wo ich fast den ganzen Tag
Tetris
auf meinem Computer spielen kann
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