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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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zu.
    Er klopfte ans Fenster auf der Fahrerseite. Der Polizistsenkte die Scheibe ein Stück ab. «Ich muss jetzt zur Arbeit», erklärte Jason forsch. «Ein paar Sachen klären, bevor ich mir freinehmen kann. Brauchen Sie die Adresse, oder bleiben Sie hier?»
    Er sah dem Cop an, dass es in seinem Kopf ratterte. Welchen Auftrag hatten die beiden? Zielperson oder Haus observieren?
    «Ist ein bisschen spät für das Kind», bemerkte der Beamte am Steuer. Offenbar wollte er ihn hinhalten.
    «Haben Sie Kinder, Officer? Es ist nicht das erste Mal, dass ich meine Tochter mit ins Büro nehmen muss. Nur gut, dass sie auch da schlafen kann.»
    Hätte er doch bloß den Mund gehalten oder zugegeben, dass es für das Kind in der Tat reichlich spät war. «Schön zu wissen», entgegnete der Beamte mit selbstgefälligem Grinsen und ließ sich viel Zeit für eine ausführliche Notiz in seinem Heft.
    Jason kehrte zum Kombi zurück und startete den Motor. Die Polizisten folgten nicht, aber dann, ungefähr sechs Blocks weiter, tauchte plötzlich ein anderer Streifenwagen aus einer Seitenstraße auf. Na bitte, sind ja doch auf Zack, lobte er im Stillen Bostons Ordnungshüter.
    Die Redaktion der
Boston Daily
war wie die eines jeden großen Zeitungsverlages: tagsüber ein Tohuwabohu hektischer Betriebsamkeit und selbst bei Nacht immer noch in Beschlag genommen von etlichen engagierten Schreiberlingen, die bis in die frühen Morgenstunden an ihren Texten saßen, Druckfahnen korrigierten und am Layout bastelten, denn nur nach Mitternacht war dieser Ort ruhig genug, um klare Gedanken zu fassen.
    Jason betrat das Gebäude mit seiner schlafenden Tochter, die er an seine Brust gedrückt hatte. Den über die Schulter geschlungenen Seesack verbarg Rees riesige Bärendecke aus Fleece. Er sah aus wie ein Mann, der schwer zu schleppen hatte, aber wer das schon recht große vierjährige Mädchen in seinen Armen erblickte, stellte keine aufdringlichen Fragen. Er zog seinen Journalistenausweis durch mehrere automatische Schlösser und gelangte schließlich ins Allerheiligste.
    Die meisten seiner Kollegen arbeiteten sowohl zu Hause als auch im Büro, und sie alle nutzten den begrenzten Raum nach der sogenannten Hotelling-Regel. War ein Schreibtisch frei, nahm man davor Platz. So auch in dieser Nacht.
    Jason suchte Zuflucht in einer kleinen Kabine in der Ecke, stopfte den Seesack unter den Schreibtisch und machte aus der Decke ein kleines Nest für Ree und ihre Puppe. Sie war wach und blickte mit ernster Miene zu ihm auf.
    «Alles in Ordnung», flüsterte er ihr zu. «Daddy muss nur noch ein bisschen arbeiten. Wenn ich fertig bin, fahren wir wieder nach Hause.»
    «Wo ist Mommy?», fragte Ree. «Ich will sie sehen.»
    «Schlaf jetzt, mein Schatz. Wir werden bald wieder zu Hause sein.» Gehorsam schloss das Kind die Augen und schlummerte wieder ein.
    Jason betrachtete sie eine Weile. Die dichten dunklen Wimpern über der blassen Haut ihrer Wangen. Die vor Erschöpfung violett schimmernden Lider. Sie wirkte auf ihn klein und zerbrechlich. Er sah in ihr eine Bürde, dieer kaum zu tragen vermochte, die aber seinen ganzen Lebenszweck ausmachte.
    Dass sie sich so tapfer gab, überraschte ihn nicht. Kinder ließen sich selten anmerken, wenn sie etwas verstörte. Ein Kind, das hingefallen war, mochte zwar wegen einer kleinen Beule am Kopf in hysterisches Geschrei ausbrechen, in der Gewalt eines Fremden gab es keinen Mucks von sich. Kinder spürten instinktiv, wie klein und verwundbar sie waren. Darum hielten sie in äußerster Gefahr still und machten sich noch kleiner und unscheinbarer, in der Hoffnung, wenn sie ganz verschwänden, würde der böse Mann von ihnen ablassen.
    Oder vielleicht glaubte ein vierjähriges Mädchen auch, dass, wenn es nur lange genug schliefe, die Mommy und der Kater wieder zurückkämen und alles wieder so sein würde wie immer.
    Jason widmete sich seinem Vorhaben. In der Redaktion war wenig los, von den Arbeitsplätzen kaum einer besetzt. Gut so, dachte er und öffnete langsam den Reißverschluss des dunkelgrünen Seesacks, aus dem er den PC aus der Küche hervorholte.
    Jason besaß insgesamt drei Rechner: den Laptop, den er für seinen Job nutzte, den Desktop, der in der Küche stand, und einen alten Kasten, der vor einem Jahr, als er sich einen neueren Dell angeschafft hatte, in den Keller verbannt worden war. Wegen des Laptops musste er sich keine Gedanken machen. Den benutzte er ausschließlich für seine journalistische Arbeit,

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