Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)
Seite badete eine nackte Frau neben Felsen in einem See, sie hatte große Brüste und langes, wallendes Haar, und ihre Vagina war mit einer kurzen Kerbe markiert. Die andere Seite zeigte das Gesicht eines Trolls, dem die Zunge wie einem hechelnden Hund heraushing und dessen Nase jemand mit krudem Humor wie einen grotesken Phallus geformt hatte.
Diese Art Humor kennst du vielleicht, sie ist in Schweden auf dem Land beliebt. Die Bauern schnitzen grobe Figuren, etwa einen Mann, der sich gerade erleichtert, und setzen einen schmalen Holzbogen als Urinstrahl an.
Dreh das Messer mal hin und her …
Jetzt immer im Kreis …
Schneller! So, dass du beide Figuren gleichzeitig sehen kannst, den Troll, der der Frau nachgeifert, und die Frau, die nicht merkt, dass sie beobachtet wird – die beiden verschwimmen. Es ist klar, was das bedeuten soll. Es erregt den Troll noch mehr, dass die Frau nichts von der Gefahr ahnt.
Das Messer war ein Geschenk, ein seltsames Geschenk, da wirst du mir sicher recht geben. Ich habe es von einem Nachbarn bekommen, gleich bei unserem ersten Treffen. Obwohl er nur zehn Minuten zu Fuß von unserem Hof entfernt lebt, haben wir uns erst kennengelernt, als wir schon zwei Wochen in Schweden waren – zwei Wochen, und in der ganzen Zeit hat sich kein einziger Bauer aus der Gegend bei uns vorgestellt. Sie haben uns ignoriert. Sie hatten den Befehl bekommen, nicht auf uns zuzugehen. In London reden unzählige Nachbarn nicht miteinander. Aber im ländlichen Schweden lebt man nicht anonym vor sich hin. Wenn wir uns in dieser Gegend einrichten wollten, mussten wir mit den Leuten irgendwie auskommen, wir konnten nicht schmollend auf unserem Fleckchen Erde hocken. Auch aus ganz praktischen Gründen. Die frühere Besitzerin – die mutige Cecilia – hatte mir nämlich gesagt, dass wir die Felder, die wir nicht brauchen, an die Bauern der Gegend verpachten könnten. Normalerweise zahlten sie dafür nur einen symbolischen Betrag, aber ich wollte sie überreden, uns stattdessen Nahrungsmitteln zu geben, die wir nicht selbst anbauen konnten.
Weil ich fand, zwei Wochen seien lang genug, sagte ich Chris eines Morgens nach dem Aufwachen, wenn sie nicht an unsere Tür klopften, würden wir eben an ihre klopfen. An diesem Tag suchte ich meine Kleidung sorgfältig aus und zog eine Baumwollhose an, weil ein Kleid so ausgesehen hätte, als könnte ich nicht körperlich arbeiten. Ich wollte mich nicht als arm hinstellen. Wir durften nicht zugeben, wie groß unsere finanziellen Probleme waren. Mit der Wahrheit hätten wir jämmerlich gewirkt, und die Leute wären beleidigt gewesen. Sie hätten begriffen, dass wir nur in diese Gegend gezogen waren, weil wir uns nichts anderes leisten konnten. Gleichzeitig durften wir nicht so wirken, als würden wir glauben, wir könnten uns einen Platz in der Gemeinde erkaufen. Ich nahm spontan die kleine schwedische Flagge ab, die an unserem Haus hing, drehte sie zu einem Tuch zusammen und band mir damit die Haare zurück.
Chris wollte nicht mitkommen. Er sprach kein Schwedisch und war zu stolz, um neben mir zu stehen und auf eine Übersetzung zu warten. Ehrlich gesagt war ich froh darüber. Der erste Eindruck ist entscheidend, und ich dachte, unsere Nachbarn wären von einem Engländer, der kaum ein Wort Schwedisch sprach, nicht gerade angetan. Ich wollte diesen Bauern beweisen, dass wir keine glücklosen Städter aus dem Ausland waren, die auf Tradition keinen Wert legten. Ich konnte es kaum erwarten zu sehen, wie sich ihre Mienen aufhellen, wenn ich in fließendem Schwedisch mit ihnen rede und stolz erzähle, ich sei auf genau so einem abgelegenen Hof aufgewachsen, wie wir ihn jetzt besaßen.
Der Nachbarhof gehörte dem größten Landbesitzer der Gegend, an ihn hatte Cecilia auch ihre Felder verpachtet. Also fing ich natürlich mit ihm an. Ich folgte der Straße und gelangte zu einem riesigen Schweinestall, keine Fenster, nur ein nacktes Stahldach, aus dem schmale schwarze Kamine ragten, mit dem Gestank nach Schweinemist und Chemikalien für die Mast. Wenn wir die Leute für uns gewinnen wollten, war Kritik an Massentierhaltung nicht der richtige Weg. Außerdem hatte Chris schon gesagt, er könnte als Vegetarier nicht leben. Neben den Lachsen stand kaum Eiweiß auf unserem Speiseplan, und wenn wir nur hier an Fleisch herankamen, durfte ich mir diese Möglichkeit nicht verbauen. Wäre ich mit Tierschutzargumenten dahergekommen, hätte ich eingebildet und zimperlich gewirkt, und was
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