Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)
würde?«
»Nein, glaube ich nicht.«
Nachdem der Polizist gegangen war, behauptete Chris, ich hätte mir zu viel damit aufgeladen, dass ich die Scheunen für zahlende Gäste herrichten wollte. Ich arbeitete vierzehn Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Er sagte, ich hätte abgenommen und müsste mir das Leben in Schweden schöner machen. Als wäre er gerade auf die Idee gekommen, schlug er vor, wir sollten uns einen gemütlichen Tag im Wald machen und Pilze sammeln. Ich war nicht sicher, ob sein Vorschlag ernst gemeint war. Er hatte ihn so geschickt formuliert, dass ich keinen Grund hatte, ihn abzulehnen. Im Zweifel habe ich ihm Gutes unterstellt, natürlich habe ich das.
Am nächsten Tag regnete es. Chris meinte, das sei egal – er wollte unser Vorhaben nicht abblasen. Weil mir ein bisschen Regen nichts ausmacht, fuhren wir mit den Rädern Richtung Norden, in den Wald, in dem auch die Träneninsel liegt. Ich versuchte, nicht an diesen Ort zu denken oder daran, dass Chris dort gewesen war. Wir bogen von der Straße ab und fuhren einen Feldweg hinauf. Die Bereiche, die man am leichtesten erreichen konnte, würden nichts bringen, wir mussten tiefer in den Wald gehen, wo noch niemand war, zu den entfernteren Ecken. Unsere Räder ließen wir unter einem Baum neben dem Elchfluss stehen. Wir nahmen unsere Fahrradkörbe mit, die wir mit Zeitungspapier ausgepolstert hatten, damit die unterste Schicht Pilze nicht zerdrückt wurde. Nach einer Weile kamen wir zu einem Hang mit riesigen Steinen, Felsbrocken so groß wie Autos. Sie waren komplett von Moos überwuchert. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass viele Leute diesen Hang hinaufstiegen, um Pilzen zu sammeln, also zeigte ich nach oben und sagte, ich wollte etwas höher suchen. Ohne auf eine Antwort zu warten, kletterte ich los. Meine Füße rutschten auf dem Moos weg. Oben bot sich mir ein Blick über hunderttausend Bäume – Tannen, Kiefern und Birken, so weit das Auge reichte, keine Straßen, keine Menschen, keine Häuser oder Stromleitungen, nur der Wald, wie er in meiner Kindheit ausgesehen hatte und noch aussehen würde, wenn ich längst tot war. Chris kam zu mir herauf und bewunderte atemlos die Aussicht.
Chris hat das Pilzesammeln nie so ernst genommen wie ich oder du. Er ist nur halbherzig dabei. Zwischendurch macht er gern Pausen und raucht und quatscht. Ich wollte mich nicht von ihm ausbremsen lassen. Also machten wir aus, dass wir uns am späten Nachmittag wieder bei den Fahrrädern treffen würden. Ich hängte ihn bald ab, und wenig später fand ich die ersten Pfifferlinge, ein winziges Feld mit jungen Pilzen. Statt sie abzureißen, schnitt ich sie mit meinem Pilzmesser ab, damit sie nachwachsen konnten. Nach ein paar Minuten hatte ich den richtigen Rhythmus raus, ich blieb die meiste Zeit vorgebeugt und arbeitete mich schnell von einem feuchten, schattigen Plätzchen zum nächsten. Unter den freigelegten Wurzeln eines uralten Baums fand ich einen goldenen Schatz, zwanzig oder dreißig Pilze auf einmal, so viele, dass ich vor Dankbarkeit jubelte, als hätte mir der Wald selbst ein Geschenk gemacht. Ohne eine Mittagspause sammelte ich weiter, bis mein Korb voll war, ein schöner satter Haufen, wie früher bei uns. Du wärst stolz auf mich gewesen.
Später musste ich weit zurücklaufen. Ich war erschöpft und glücklich – so glücklich wie lange nicht mehr, und ich wusste wieder, warum ich nach Schweden zurückgekehrt war, genau wegen solcher Momente. Der Nieselregen hatte sich gehalten, und nach mehreren Stunden waren meine Haare klatschnass. Mir war das egal. Ich drückte mir den Regen mit den flachen Händen aus den Haaren. Chris hatte sicher längst aufgehört. Bestimmt hatte er sich bei den Fahrrädern untergestellt, vielleicht ein Feuerchen gemacht, und würde warm neben dem Fluss sitzen – das habe ich ehrlich gehofft.
Als ich zu den Fahrrädern kam, brannte kein Feuer. Chris saß am Fluss auf einem umgestürzten Baum und rauchte Håkans Gras, mit dem Rücken zu mir, die Kapuze hochgeschlagen. Ich stellte meinen Korb bei den Fahrrädern neben seinen, der leer war, nicht ein einziger Pilz lag darin, und ging zu ihm an den Fluss. Er drehte sich um und lächelte, was mich überraschte; ich hatte gedacht, er würde böse sein. Er musste stundenlang gewartet haben. Er sagte, ich sollte mich setzen, er wollte mir eine Tasse Tee aus unserer Thermoskanne holen. Meine Hände waren klamm und meine Finger steif. Etwas Warmes zu trinken wäre genau
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