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Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Titel: Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelly Arnold
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er mir hinterher, nahm das Buch aus dem Regal und reichte es ihm.
    »Ist das gut?«, wollte er wissen.
    »Leider habe ich dieses Buch nicht gelesen.« Frau Wenzel bestand darauf, immer ehrlich zu sagen, wenn man ein Buch nicht kannte, denn die bohrenden Fragen der Kunden konnten einen folglich in Teufels Küche bringen. »Ich habe aber Der Alchimist von ihm gelesen, und das hat mir gut gefallen. Wenn Sie …«
    »Nee, ich will lieber das da.« Er besah es sich, als wolle er es auf Stabilität prüfen.
    »Soll es ein Geschenk an eine Dame sein?«
    »Ja, ist für meine Frau. Die hat jetzt, seit sie in Rente ist, das Lesen entdeckt.« Den letzten Teil des Satzes hatte er spöttisch gesagt, als handle es sich dabei um eine Anwandlung abgehobener Spiritualität.
    »Verstehe.« Wir standen uns gegenüber. Er begutachtete das Buch erneut von allen Seiten, ich stand da und kam mir etwas dämlich vor. Also zog ich mich zurück. Als er schließlich zur Kasse kam, zahlte er ausschließlich mit Zwanzigcentstücken. »Ist aus meinem Sparkästchen. Seit sie den Euro eingeführt haben, spare ich Zwanzigcentstücke. Jetzt sind fast fünfhundert Euro zusammengekommen, und ich hab beschlossen, den ganzen Betrag für meine Frau auf’n Kopf zu hauen. Weil sie jetzt in Rente ist.«
    Frau Wenzel nickte, während sie zählte.
    »Sie hat’s verdient, hat drei Kinder aufgezogen und viel Arbeit mit uns gehabt.«
    Ich betrachtete ihn. Um seinen Mund war ein Zug, den nur liebende Menschen hatten. Zumindest kam es mir so vor. Vielleicht wurde man automatisch etwas pathetisch, wenn man gerade verlassen worden war. Ich fand es rüh rend, was er tat, schluckte den Schmerz hinunter und wischte um das Schaufenster herum Staub.
    Als Frau Wenzel fertig gezählt hatte und erleichtert aufatmete, meinte er: »Ach, was soll’s. Dann nehme ich auch gleich Der Architekt vom selben Autor.« Fröhlich knallte er einen neuen Haufen Zwanzigcentstücke auf den Verkaufstresen.

4
    F ür einen Montag ging es in der Buchhandlung sehr l ebhaft zu. Vielleicht lag es am Vollmond, jedenfalls hatten wir es an diesem Tag nur mit schrägen Leuten zu tun. Einer wollte wissen, ob es einen Ratgeber über Schrank ordnung und Kühlschrankhygiene gäbe, ein anderer glaubte, bei Lolita handle es sich um ein lustiges Kinderbuch, und eine junge Frau fragte, was für Bücher Anna Karenina denn so geschrieben hätte. Zu guter Letzt kam ein etwa Zwanzigjähriger herein, strich sich selbstbewusst die braunen Locken aus dem Gesicht und meinte: »Hey, hallo, brauche das Buch Kocht wieder kein Schwein? «
    Ich dachte, es handelte sich wieder um einen Titelver dreher, aber meine Chefin meinte: »Ach, das ultimative WG -Kochbuch – das müsste ich bestellen.«
    Als ich später den Laden abgeschlossen und Frau Wenzel die Kasse abgerechnet hatte, saßen wir noch bei einer Tasse Tee im Büro. Frau Wenzel rauchte einen Zigarillo bei gekipptem Fenster. Das machte sie manchmal, »nur zur Show«, wie sie sagte.
    An ihr war wahrlich eine Psychologin verloren gegangen. Sie hörte interessiert zu, wie ich meinen Gefühlen freien Lauf ließ und darüber lamentierte, was ich während meiner Ehe falsch gemacht hatte. Eigentlich gehörte ich nicht zu den Frauen, die andere Leute mit ihrem Liebes kummer vollquatschten. Genau genommen war mir das immer schon zuwider gewesen. Jeder kennt diese Art von Freundinnen, die sich einbilden, sich ständig irgendetwas von der Seele reden zu müssen. Am allerschlimmsten waren solche, die sagten: »Ich muss mit dir reden«, aber im Grunde meinten sie: »Ich brauche jetzt einen seelischen Mülleimer.« Frau Wenzel wusste genau, dass ich mein Herz nicht auf der Zunge trug, deshalb hörte sie mir umso aufmerksamer zu. Na ja, ein bisschen neugierig war sie wahrscheinlich auch. In ihrem beigefarbenen Wollkostüm und mit dem wachen Blick sah sie wirklich wie eine Psychothera peutin aus, zumindest stellte ich mir eine Therapeutin so vor. Hin und wieder nickte sie und stellte gewandte Zwischenfragen wie: »Und wie hast du dich dabei gefühlt, als er sagte, er würde sich mit dir langweilen?«
    Meine Antworten fielen hingegen lapidarer und weniger gewandt aus: »Na, wie soll ich mich schon gefühlt haben? Beschissen natürlich.«
    Vor vielen Jahren war ich an ihrer Buchhandlung vor beigelaufen und hatte das Schild entdeckt, auf dem sie eine Vollzeitkraft suchte. Ich spazierte hinein und fragte, ob die Stelle noch frei wäre. Sie hatte bejaht, und wir kamen ins Gespräch.

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