Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam
erklärt ihn gleich zu einem weiteren Beweis für die große Liebe.
Später, als ich einmal Christophs Schallplatten durchsah, während er etwas aus dem Keller holte, wurde mir klar, dass er mich belogen hatte. Seine Sammlung bestand aus Billy Joel, Wham, Boney M. und – ich wage es kaum zu sagen – Karel Gott! Als er ins Wohnzimmer trat, fragte ich: »Du hörst Karel Gott? Also, ich meine, Eine Biene namens Maja habe ich als Kind auch gern gehört, aber gleich ein Album? Wow!«
Er schüttelte energisch den Kopf. »Nein, nein. Das ist doch ein Weihnachtsgeschenk meiner Oma.« Er winkte lachend ab. »Du weißt ja, wie alte Leute sind.« Ich wollte ja nichts sagen, aber dafür, dass er sie nicht anhörte, kam mir die Platte ziemlich abgegriffen vor.
Ein paar Jahre später – mittlerweile kannte ich seinen schrägen Musikgeschmack – hatte ich ihn gefragt, warum er mich anfangs belogen hatte.
»Am Anfang flunkert doch jeder ein bisschen, damit er gut landen kann.«
Ich hatte ihm das nicht so übel genommen und tröstete mich damit, dass er mich unbedingt haben wollte und es deshalb getan hatte.
Damals hatte ich den ganzen Tag Flugzeuge im Bauch und ein Dauergrinsen im Gesicht. Ich fand ihn sogar toll, wenn er einfach nur dastand. Er konnte machen, was er wollte, oder einfach nichts tun … Ich fand alles einfach nur sexy. Ich wollte nie wieder jemand anderen.
Irgendetwas zwischen damals und heute muss verdammt schiefgelaufen sein. Gab es einen bestimmten Punkt, den ich einfach nicht wahrgenommen hatte? War es ein Moment gewesen? Ein falsches Wort? Ein bestimmter Tag? Oder war es ein langer Prozess von unzähligen kleinen schlechten Momenten und falschen Worten?
Was würde ich tun, wenn er mich tatsächlich anrief und sagte: »Bitte komm zurück. Ich war nicht ganz bei Trost. Weißt du, ich nehme zurzeit diese Medikamente gegen niedrigen Blutdruck, und ich wollte dir nichts davon erzählen, um dich nicht zu beunruhigen. Diese Medikamente sind sehr stark und haben die Nebenwirkung, dass man dummes Zeug redet. Du hast dein Sprachzentrum im Gehirn dann nicht mehr im Griff. Aber jetzt bin ich wieder klar im Kopf. Ich liege seit gestern weinend im Bett und habe nur einen Wunsch, nämlich dass du zu rück …« Was machte ich da eigentlich? War ich noch zu retten?
Ich musste eine Nacht über all das schlafen. Vielleicht würde es mir danach besser gehen.
In dieser Nacht machte ich kaum ein Auge zu. Ich wälzte mich hin und her und verstrickte mich immer wieder von Neuem in Gedanken. Schlaftrunken nippte ich am nächsten Morgen an meiner Tasse. Ich fand es ausgesprochen angenehm, wenn man aufstand und Semmeln und Kaffee schon auf dem Frühstückstisch bereitstanden. Es war sogar beängstigend bequem. Großer Gott, hoffentlich fing ich nicht an, Geschmack an Hotel Mama zu finden! Da konnte ich mich ja gleich bei einem Privatsender melden, um in eine dieser Schrottsendungen zu gehen. So konnte ich mir wenigstens noch etwas dazuverdienen. Galgenhumor.
Mein Geldbeutel lag auf dem Küchentisch. »Was hat Vater denn gesagt, wie es bei Christoph war?«, wollte ich wissen.
Sie drehte sich halb zu mir um. »Wie soll’s denn gewesen sein? Was meinst du denn damit?«
»Hat er was gesagt, als er gestern so spät nach Hause kam?« Ich war schon im Bett gewesen und kurz vorm Einschlafen. Außerdem wollte ich nicht aus meinem Zimmer rennen und meinen Vater fragen, ob mein Mann auch ganz doll traurig war.
»Natürlich hat er was gesagt.«
»Und was?« Musste ich ihr denn jedes Wort aus der Nase ziehen?
»Er hat gesagt, Gisela, hat er gesagt, da ist der Evelyn ihr Geldbeutel.«
Ich schnaufte. Sollte sie doch sehen, dass mir das auf die Nerven ging.
»Geh, was soll er denn schon gesagt haben?«
Das Beste war wohl, das Thema zu wechseln, deshalb fragte ich: »Wo ist denn Vater überhaupt?«
»Der Papi ist im Baumarkt. Er will aus unserem Keller ein Sportstudio machen.«
»Ein Sportstudio?«
»Ja, da soll so ein Laufband rein und ein Fahrrad ohne Räder, das auf der Stelle bleibt, wenn man radelt.« Sie verzog den Mund. »Wozu das gut sein soll, will ich mal wissen. Am Ende möchte er auch noch eine Sauna da rein haben. Ich glaub, der hat Angst vorm Sterben oder so was.«
»Er tut etwas für eure Gesundheit. Das wird euch guttun.« Bei dem Versuch, ihr aufmunternd zuzunicken, verschüttete ich etwas Kaffee auf der blütendweißen Tischdecke. Meine Mutter sah es natürlich sofort.
»Pass doch auf, Kind! Ich hab
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