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Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Titel: Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelly Arnold
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Innerhalb weniger Sekunden war ich wieder zu einem Schulmädchen geworden, dessen Schwarm gerade anrief. Ich ärgerte mich darüber, überlegte, ob ich mich melden oder besser abwarten sollte, was Christoph auf die Mailbox sprechen würde. Aber das war blöd, denn vielleicht würde er keine Nachricht hinterlassen. So würde ich nie erfahren, was er mir zu sagen hatte.
    Ich ließ meine Mutter alleine in der Küche sitzen und schloss mich im Bad ein. »Hallo?« Ich versuchte, gleichgültig zu klingen, so, als hätte ich im Moment viel Interessanteres zu tun.
    »Ich bin’s.« Ach was, mein Handy hatte ein Display.
    »Ja?« Ich war schrecklich aufgeregt. Rief er an, weil er meine Stimme hören wollte? Oder weil er mich vermisste? Rief er an, weil es ihn wirklich interessierte, wie es mir ging?
    »Wie geht es dir?« Es ließ sich ein Fünkchen Traurigkeit aus seiner Stimme heraushören. Zumindest tat ich mein Bestes, um sie hineinzuinterpretieren.
    »Na ja, nicht besonders.« Im nächsten Moment hätte ich mir die Zunge abbeißen können! Jetzt musste ich von Mar kus’ Unfall erzählen, sonst würde Christoph glauben, dass ich vor Liebeskummer ganz krank war. Das war nicht meine Absicht, denn ich wollte meine Würde wahren. »Markus ist gestürzt und hat mehrere Knochenbrüche. Wir besuchen ihn später im Krankenhaus.«
    Christoph meinte, es täte ihm leid, das zu hören, und erkundigte sich sogar danach, wie es mir gehe. Ich wünschte, er würde endlich auf uns beide zu sprechen kommen! Das tat er leider nicht.
    »Und wie geht es dir?«, fragte ich.
    »Mir? Eigentlich ganz gut.«
    »Na, das ist ja schön.« In Wirklichkeit fand ich das in keiner Weise schön, denn es zeigte mir, wie wenig ich ihm noch bedeutete.
    Schweigen.
    »Warum hast du angerufen?«
    »Ich wollte nur mal hören, ob bei dir so weit alles in Ordnung ist.«
    »Ist es, ja.«
    »Dein Vater war gestern noch da. Er war ziemlich unfreundlich.« Mein Vater und unfreundlich? Das passte gar nicht zusammen.
    »Was hat er denn gesagt?«
    »Dass er eigentlich schon immer wusste, wir würden nicht zusammenpassen, und ich hätte ja keine Ahnung, was ich da aufgebe. Und er sagte, dass du zu pfiffig für mich seist.«
    Erstaunt riss ich die Augen auf. Was? War das zurzeit sein Lieblingswort? Und hatte er nicht gesagt, dass Christoph zu pfiffig für mich sei?
    »Ich mag deine Eltern, aber ich weiß nicht, was er damit gemeint hat.«
    »Ich auch nicht«, sagte ich ehrlicherweise.
    »Tja, na dann …«
    Der Gedanke, das Gespräch jetzt zu beenden, machte mich panisch. Solange ich seine Stimme hörte, war es doch nicht ganz vorbei. Plötzlich hörte ich, wie mein Vater die Haustür aufsperrte.
    »Hör zu, Lyn«, sagte Christoph gerade, als ich meine Mutter draußen laut jammern hörte. »Der arme Bub! Vielleicht verbringt er sein Leben im Rollstuhl!« Meine Mutter konnte theatralischer sein als jede Figur in einer griechischen Tragödie.
    »Ja?«
    »Ich wollte …«, setzte Christoph wieder an, »Was ist denn da bei euch los? Ist das deine Mutter?«
    »Du kennst sie ja. Also? Was wolltest du sagen?«
    »Ach, ich glaube, das ist ein ungünstiger Moment. Ich melde mich wieder.«
    Verdammt!
    »Ganz wie du willst«, sagte ich leichthin. Ganz so, als würde mir sein Anruf nichts bedeuten.
    Seit über zwanzig Jahren war ich nicht mehr in dieser Si tuation gewesen: mit meinen Eltern im Auto und ich hinten mit dem Wackeldackel. Lieber hätten sie auf das Auto verzichtet als auf den Dackel. Er war nämlich ein Geschenk von Großtante Gundula, und die hatte ihnen am Sterbebett gesagt, wie leid es ihr täte, dass sie zeitlebens so ein Miststück gewesen sei. So hatte sie es natürlich nicht gesagt, aber ihre genauen Worte habe ich vergessen. Der Wackeldackel war das einzige Geschenk, das sie unserer Familie je zukommen ließ. Meine Mutter hatte »das hässliche Mistding«, wie sie es damals nannte, in eine Aldi-Tüte gepackt und in den Keller geworfen, für den Flohmarkt. Als Großtante Gundula starb, kam das Ding wieder zum Vorschein und zierte nun seit fast dreißig Jahren die hintere Ablage des mittlerweile vierten Autos meiner Eltern. »Einem Sterbenden nicht zu verzeihen, ist eine Sünde«, hatte meine Mutter gesagt. Ich glaubte allerdings zu wissen, dass sich Großtante Gundula ihre Hinterhältigkeit bis zum letzten Atemzug bewahrt hatte. Ihre Entschuldigung basierte einzig und allein auf egoistischen Motiven. Sie hatte sich das Gewissen rein gewaschen, um an der

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