Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam
mir besorgen?«
Dieser Satz in Kombination mit dem gewünschten Titel verfehlte bei meiner Chefin nicht seine Wirkung. Sie drehte sich Richtung Bücherregal, und ich sah ihre Schultern vor Lachen zucken.
»Äh, ja, gerne«, sagte ich blöderweise.
»Ist es bis morgen da? Es ist nämlich dringend.«
»Ja, Sie können es ab morgen Mittag abholen.«
»Danke. Wiedersehen.«
Als er wieder draußen war, sagte ich zu Frau Wenzel: »So ein Selbstbewusstsein ist beneidenswert, oder?«
Sie lachte nur.
Später ließ sich eine Frau in allen Einzelheiten über femi nistische Literatur beraten. Ich brachte eine Stunde damit zu, ihr Bücher zu empfehlen, aber Alice Schwarzer war ihr zu »rabiat«, Simone de Beauvoir zu »antiquiert«, und von den amerikanischen Autorinnen hielt sie nichts, weil die ihr zu »hetzerisch« waren. Als ich mit meinem Latein am Ende war, ging sie, ohne etwas zu kaufen oder sich zu bedanken. Allerdings bedachte sie mich noch mit dem Satz: »Kann man wohl nichts machen.« Was immer das heißen sollte.
Kurz bevor ich ging, mussten Frau Wenzel und ich noch einen Kunden-Code knacken. Ein Herr suchte nach dem Kinderbuch Mimi . Er wunderte sich über uns, sah uns abfällig an und meinte, das sei aber merkwürdig, dass wir ein so bekanntes Kinderbuch nicht kennen würden. Am Ende stellte sich heraus, dass er Momo von Michael Ende meinte.
Nach solchen Tagen brauchte ich eine kleine Verschnaufpause, die meistens aus einem Becher Kaffee bestand. So gern ich unsere Kunden auch mochte – manchmal konnten sie auch anstrengend sein.
Erschöpft machte ich mich schließlich auf den Weg zu Dr. Nix.
13
D ie Praxis überwältigte mich. Dr. Nix war nicht einfach nur Hausarzt, wie ich dem Schild an der Tür hatte entnehmen können. Er war Internist, der Akupunktur und Naturheilverfahren anbot. Ich trat in einen Raum, der an die Lobby eines Hotels erinnerte. Die Sprechstundenhilfe hob den Kopf und lächelte mich mechanisch an. »Grüß Gott. Sie sind bestimmt Frau Hagedorn, unsere letzte Patientin für heute?«
»Nein, ich möchte Herrn Nix nur mal Hallo sagen.« Als mir bewusst wurde, wie komisch das klang, setzte ich hinzu: »Er hat am Wochenende einen Hausbesuch bei mir gemacht, und ich möchte mich nur kurz dafür bedanken.« Wie zum Beweis hob ich mein Präsent in die Höhe.
Es war nicht zu übersehen, dass sie nicht wusste, was sie mit mir anfangen sollte. »Sie kommen fünfzehn Minuten vor Ende der Sprechstunde«, meinte sie vorwurfsvoll.
»Tut mir leid, aber ich komme direkt von der Arbeit. Früher ging es nicht.«
»Nun gut, warten Sie bitte einen Moment«, meinte sie gnädig.
Die Tür des Sprechzimmers öffnete sich, und eine Frau kam heraus, hinter ihr Dr. Nix. Er war groß, bestimmt einen Meter neunzig. Vom Alter her schätzte ich ihn auf um die fünfzig. Er sah gut aus – kein Wunder, dass ihn Annett unwiderstehlich fand.
»Hallo, Herr Dr. Nix«, begann ich umständlich, »ich wollte eigentlich nur …« Ich musste die Geschenktüte wohl mit allzu großem Schwung in seine Richtung geschwenkt haben, und so passierte es: Die Flasche, die zu schwer für die Tüte war, fiel zu Boden – und ich stand vor Schreck mit offenem Mund da und hielt noch sekundenlang die baumelnde Tüte, mit dem Loch im Boden, in meiner Hand. Nicht nur Menschen mit Todeserfahrung sehen ihr Leben als Film ablaufen. Ich schwöre, genau das passierte mir in diesem Moment.
Es gab einen lauten Krach, dann ein zischendes Geräusch. Kurz darauf roch es in dem schicken Vorzimmer wie in einer billigen Spelunke. Dr. Nix blickte erst zu mir, dann auf das Malheur auf den Boden, dann wieder zu mir.
Ich stand in Schockstarre da, während die Sprechstundenhilfe mit gereiztem Gesichtsausdruck anfing, den Boden zu wischen.
Endlich sagte Dr. Nix. »Ach, schade um den guten Wein, aber das ist nicht so schlimm.«
Wie eine Idiotin reichte ich ihm die Geschenktüte mit dem Loch im Boden, weil ich nicht wusste, was ich sonst hätte tun sollen.
Er warf einen Blick hinein. Die Pralinen waren aufgrund ihrer breiten Verpackung noch in der Tüte geblieben. »Oh, Pralinen. Die mag ich. Sogar zartbitter, meine Lieblingssorte. Aber kommen Sie doch kurz in mein Sprechzimmer, bitte.«
Als ich ihm eine Minute später gegenübersaß, wünschte ich mich nach diesem schmerzhaft peinlichen Vorfall auf einen anderen Planeten.
»Nun sagen Sie mir erst einmal, wie geht es Ihnen jetzt?«
Ich wagte kaum, ihn anzusehen. Der erste Eindruck, den ich bei ihm
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