Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam
hinterlassen hatte, war der einer Hysterikerin. Der zweite der eines Trampels. Als ich meine Unsicherheit schließlich doch überwand und ihn anblickte, sah ich, dass ich mir umsonst Sorgen gemacht hatte. Er blickte mir freundlich entgegen. Die Züge seines leicht kantigen Gesichts deuteten auf eine Mischung aus Lebenserfahrung und Gutmütigkeit hin. »Es geht mir gut, danke. Samstag, das war ein schrecklicher Tag. Mein Mann … Also …«
»Ja, Frau Viehbeck hat es mir bereits erzählt. Tut mir leid für Sie.«
»Nein, es ist keine Katastrophe.« Würde er mich jetzt für gefühlskalt halten? »Der erste Schock ist jetzt vorüber, und ich habe mich gefasst, wirklich.«
»Gehen Sie zur Arbeit?« Er wirkte selbstbewusst und männlich, während er sich auf seinem Stuhl leicht hin und her drehte.
»Ja, natürlich.«
Er nickte. »Brauchen Sie vielleicht ein paar Stunden professionelle Beratung? Ich könnte Ihnen einige gute Adressen nennen.«
»Äh, Psychiater?«
»Nein, ich dachte eher an einen Therapeuten, mit dem Sie sprechen könnten.« Als er mein verdutztes Gesicht sah, sprach er weiter: »Was Sie erlebt haben, ist ein unschönes Erlebnis und …«
»Ich fange langsam an, das anders zu sehen«, unterbrach ich ihn.
»Wie meinen Sie das?«
»Vielleicht ist es besser, dass wir nicht mehr zusammen sind.« Noch während ich sprach, merkte ich, dass ich das nicht nur sagte, um mich besser zu fühlen. So langsam fing ich tatsächlich an, mich zu wundern, dass wir uns nicht schon viel früher getrennt hatten.
»Gut, prima, wenn Sie das so sehen können.« Er nickte lächelnd. »Aber Sie können sich trotzdem jederzeit eine Überweisung zum Therapeuten holen.«
»Vielen Dank. Das mit der Flasche tut mir übrigens furchtbar leid. Ihre Sprechstundenhilfe wird mich dafür hassen.«
»Martina? Ach was.«
Er gab mir zum Abschied die Hand. »Vielen Dank für die Pralinen. Natürlich auch für die Flasche. Wie sagt man? Es ist der gute Wille, der zählt.« Er lachte, und daraufhin musste auch ich ein wenig schmunzeln.
Als ich an der Sprechstundenhilfe Martina vorbeiging, vermied ich es, sie anzusehen. Erst als ich draußen war, fiel mir ein, dass ich ganz vergessen hatte, ihr meine Versichertenkarte zum Einlesen zu geben. Nach diesem Desaster wollte ich bestimmt nicht mehr zurück.
Annett und Louise waren im Esszimmer und saßen über einem Teller dampfender Spaghetti, als ich nach Hause kam. Ich hörte Olivia unten tippen, wahrscheinlich fügte sie ih rem Manuskript noch etwas hinzu, oder sie war bei der Über arbeitung.
»Willst du auch etwas?«, fragte Annett. »Ist noch ge nug da.«
»Nein, danke.«
Wir rechneten die Lebensmittel nicht auf Heller und Pfennig auf. Im Kühlschrank gab es vier Ablagen, eine für jede von uns. Das Gemüse- und Eisfach wurde geteilt. In den Schränken war nichts beschriftet. Wenn man etwas von der anderen wollte, fragten wir, aber bisher hatte noch nie jemand Nein gesagt.
»Gute Güte, du siehst ja gar nicht gut aus. Alles in Ordnung?«
»Ich hatte einen schrecklichen Tag.«
Louise wischte sich die Tomatensoße vom Kinn. »Den hab ich tagtäglich.«
»Ach«, winkte Annett ab, »du bist einfach nur pessimistisch. Immer siehst du in allem das Schlimmste.« Sie betrachtete mich. »Was ist denn passiert?«
Also erzählte ich ihnen von meinen Erlebnissen. Den Teil mit Olivias Manuskript schwächte ich allerdings etwas ab. Als ich das mit der Flasche bei Dr. Nix erzählte, machte Annett eine Grimasse. Sie biss sich auf die Unterlippe, als würde ihr jemand eine Spritze in eine unangenehme Stelle geben.
Louise zuckte die Schultern. »Na und, kann doch jedem passieren. Aber diese Martina kann ich auch nicht leiden. Warum nimmt er sich keine nette Sprechstundenhilfe?«
Annett grinste sie an und legte die Stirn in Falten. »Und das aus deinem Mund? Hast du jemals ein Lebewesen ange lächelt? Wärst du an ihrer Stelle, wärst du noch schlimmer.«
»Ach, red doch keinen Unsinn.«
»Ja, ja, altes Muffelweib«, warf Annett ihr noch an den Kopf, bevor sie mit dem Geschirr in die Küche ging. Kurz darauf brachte sie uns zwei Gläser Weißwein. Sie selbst ging wieder aus dem Esszimmer, um abzuspülen.
Ich blieb mit Louise sitzen, dann fragte ich sie, was mir schon seit Längerem auf der Zunge brannte: »Ist eigentlich einer deiner Eltern Afrikaner, oder beide?«
Sie mustert mich kurz, dann sagte sie: »Mein Vater ist Afroamerikaner, meine Mutter ist Deutsche.«
»Ach,
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