Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam
Blick in den Spiegel ließ mich zusammenzucken. Trotz der Entspannungsmaßnahmen sah ich grauenhaft aus, und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, hatte ich mich auch schon abgeschminkt. Schnell riss ich mir das Haarband vom Kopf, aber das half nicht viel, um mein Erscheinungsbild angenehmer zu machen. In meinem Pyjama mit Bärchenmotiv – ein Weihnachtsgeschenk meiner Eltern – lief ich nach unten. Meine drei Mitbewohnerinnen standen in der Küche, nahe an der Tür und taten so, als würden sie über etwas Wichtiges reden. Aber ich hatte sie durchschaut. Ihre Position, nahe zur Diele, ließ darauf schließen, dass sie mithören wür den. Ich tat einfach so, als hätte ich das nicht bemerkt, lief an ihnen vorbei zur Haustür und wäre beinahe zur Salzsäule erstarrt. Da stand ich, verwundert und sprachlos, mit meinem Bärchenpyjama – und kuckte in das Gesicht des Pizzaboys.
Er lächelte und zeigte seine perfekten Zähne.
Ich glotzte.
Er nickte mir zu und sagte: »Hallo.«
Ich gab einen Laut von mir, der sich eher nach: »Äähööh«, anhörte. Dann meinte ich: »Ich habe keine Pizza bestellt.«
»Ich habe auch keine dabei.« Er lachte und hob zum Beweis die Handflächen nach oben.
Na gut, und weiter? Ich hatte Angst vor dem, was jetzt kommen würde. Vielleicht war er hier, um mich zu fragen, ob wir uns mal auf einen Kaffee verabreden könnten. Und ich stand da, mit dem bescheuerten Pyjama. Noch vor fünf Minuten hatte ich gedacht, dass dieser schreckliche Tag ein Ende gefunden hatte.
»Die Stones, wissen Sie noch?«
»Die Stones?« Wollte er mir mein altes Sweatshirt abkaufen?
Er nickte. »Ich gehe doch übernächstes Wochenende zu dem Konzert. Eigentlich wollte ein Freund von mir mitgehen, aber der hat sich ein Bein gebrochen. Ein anderer Kumpel zieht um, und wieder ein anderer ist übers Wochenende weg. Meine Schwester mag die Stones nicht, und meine Arbeitskollegen … Na ja. Hätten Sie Lust, mit mir auf das Konzert zu gehen?«
Ich umklammerte den Türgriff so fest, dass es schmerzte. O mein Gott. Wie sollte ich darauf am besten reagieren? Gerade noch rechtzeitig fiel es mir ein: »Da ist aber mein Geburtstag.«
»Na, das ist doch großartig«, rief er übereifrig.
»Ja, ich … Also … Warum eigentlich nicht? Ich hab sie noch nie live gesehen, und ich – kenne sie, seit ich zehn bin.« Im nächsten Moment überlegte ich auch schon, ob es für ihn nicht armselig klang, dass ich an meinem Geburtstagsabend überhaupt nichts vorhatte. Mich würde so jemand stutzig machen. Ich würde denken: entweder Exzentriker oder Axtmörder.
Der Pizzalieferant nicht. Er schien sich zu freuen. »Schön. Ich würde Sie ja gerne mit dem Auto abholen, aber ich glaube, das ist keine gute Idee – man findet so schlecht Parkplätze. Wenn Sie einverstanden sind, treffen wir uns vor der Olympiahalle, östlicher Eingang. Zurück können wir dann mit dem Taxi fahren. Ich wohne auch hier in Pasing.«
»Gut, okay.«
»Sagen wir, um sieben?«
»Ähä.« Ich nahm all meine Kraft zusammen, lächelte und versuchte, locker zu wirken.
»Wie alt werden Sie denn?«
Scheißfrage. Bis jetzt hatte ich Frauen, die mit ihrem Alter nicht lässig umgingen, nicht ausstehen können. Aber es schien einen Unterschied zu machen, ob man knapp vierzig war und sich gerade getrennt hatte; oder ob man diese Meinung mit dreißig vertrat und längst unter der Haube mit dem vermeintlichen Traummann war. Jetzt stand mir dieser jüngere Kerl gegenüber, und ich war vor allen Dingen: knapp vierzig und ungeschminkt. Trotzdem würde ich nicht wegen meines Alters lügen, das war einfach erbärmlich.
»Ich werde vierzig.«
Er nickte freundlich, sagte aber nichts. Hätte er nicht vor Überraschung die Augen aufreißen können, vor lauter Verwunderung einen Schritt nach hinten gehen und mich verdattert betrachten können? Das wäre sehr nett gewesen, und zu guter Letzt hätte er ausrufen können: »Wahnsinn! Ich hätte Sie keinen Tag älter als vierunddreißig geschätzt.« Aber er nickte nur freundlich.
Zum Abschied hob er die Hand und sagte: »Bis dann.«
In Zeitlupentempo schloss ich die Tür und atmete hör bar aus. Annett, Louise und Olivia traten innerhalb von einer Sekunde aus der Küchentür.
»Sieh mal an«, kicherte Annett. »Gute Güte, du hast also ein Date.«
»Was? Keine Spur!«
»Na, sonst wäre er kaum hier aufgekreuzt mit einem Haufen fauler Ausreden. Ich bitte dich! Alle, die er kennt, haben entweder einen Beinbruch oder sind
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