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Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Titel: Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelly Arnold
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jünger ist als du und Pizzafahrer. Weißt du was? Im Grunde kannst du ihr gleich mit einer Schaufel das Kreuz brechen.«
    Ich winkte ab. »Ist mir doch egal, was sie denkt.«
    »Du machst ihr Schande.« Er zwinkerte mir zu.
    Ich versetzte ihm einen leichten Hieb auf den linken Arm. Es war zumindest der Arm, der nicht gebrochen war. In diesem Moment kam unsere Mutter zurück. »Was tust du denn da, Evelyn?«, rief sie entrüstet. »Der Bub hat alle Knochen gebrochen – und du haust ihn?«
    »Geschieht ihm ganz recht«, murmelte ich.
    Markus lachte.
    Sie stand kopfschüttelnd da und blickte auf uns herunter. »Manchmal verstehe ich euch nicht.«
    Gedankenverloren ging ich von der U-Bahn in Richtung Buchhandlung. Die Menschen um mich herum nahm ich gar nicht richtig wahr. Ich dachte an Markus und Mutter, an den Pizzalieferanten und die Rolling Stones – und da passierte es. Als ich so vor mich hin grübelte, sah ich Christoph. Er kam geradewegs auf mich zu. Noch hatte er mich nicht entdeckt. Meine Gedanken überschlugen sich. Sollte ich die Straßenseite wechseln? Aber die nächste Ampel war zu weit entfernt und die Straße zu verkehrsreich. Es war sowieso nur eine Frage der Zeit gewesen, bis wir uns über den Weg liefen oder er an der Buchhandlung vorbeikam. Seine Wohnung, in der auch ich mein halbes Leben verbracht hatte, war um die Ecke. Warum sollte ich überhaupt vor ihm davonlaufen? Ich hatte doch nichts getan.
    Er kam immer näher auf mich zu. Komischerweise hatte er seinen Aktenkoffer dabei, für die Schule. Dabei ging er eigentlich erst nachmittags von zu Hause los. Nun sah er mich! Er zuckte zusammen, als er mich entdeckte, und das bildete ich mir nicht ein. Er verlangsamte seinen Schritt, und auch das bildete ich mir nicht ein. Der Ausdruck in seinem Gesicht ließ darauf schließen, dass er unangenehm überrascht war. Mir blieb das nicht verborgen, weil ich ihn zu gut kannte. Er hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst. Als er nur noch ein paar Meter von mir entfernt war, zwang er sich zu einem Lächeln. »Hallo, Lyn.« Er blieb vor mir stehen und schwenkte verlegen seinen Aktenkoffer, was ihm gar nicht bewusst zu sein schien.
    »Hallo. Na, wie geht’s?« Ich versuchte, unbeschwert zu klingen, und wusste nicht einmal, warum ich das tat.
    »Ganz gut. Und dir?«
    Ich nickte bloß.
    »Tja, auf dem Weg in die Arbeit, wie?«
    »Hmhm. Und du? Bist aber früh dran heute. Ach, du triffst dich wahrscheinlich vorher noch mit deiner Freundin.« Hätte ich das nur nicht gesagt. Es klang so armselig, eifersüchtig und verbittert. Und ich entblößte meine Unbeschwertheit als Farce.
    Christoph sah mir ins Gesicht, dann nickte er.
    Ich dachte: Schön für dich, du blöder Mistkerl. Wenigs tens genießt einer von uns sein Leben. Aber ich nickte lächelnd, weil ich mir noch das letzte Stückchen Würde bewahren wollte, das übrig war.
    »Na, dann«, sagte er und machte einen Schritt, um endlich dieser grässlichen Situation zu entfliehen.
    »Wir sollten mal telefonieren oder uns treffen.« Damit er das nicht falsch verstand, fügte ich schnell hinzu: »Wir sollten darüber reden, ob wir uns scheiden lassen wollen oder …«
    Weiter kam ich nicht. Es war, als hätte ihm gerade jemand eine Aufwachspritze in den Hintern gestochen. »Scheidung? Wozu denn? Wir müssen uns doch nicht gleich scheiden lassen. Ich meine … Na ja, es ist doch so viel Bürokratie, und man weiß nicht, was das Leben so bringt. Vielleicht … Ach, nichts.«
    Christoph wirkte beinahe etwas geknickt. Vielleicht hatte er Streit mit seiner Freundin, aber darüber konnte ich mir keine Gedanken machen. »Es geht auch um meine Steuer, Christoph. Ich bin da finanziell einfach schlechter dran.«
    »Nein, nein.« Er schüttelte den Kopf. »Wir machen einen Termin mit Heiko, der soll uns das gründlich erklären. Ich habe einfach keine Lust auf das ganze Prozedere.« Heiko war unser langjähriger Steuerberater. Auf ihn war Verlass, und sogar ich, als Zahlenphobikerin, kapierte alles, was er sagte. Aber dass Christoph die Scheidung ablehnte, weil er keine Lust auf das Prozedere hatte, machte mich sauer.
    »Du bist ja überhaupt nicht egoistisch, Christoph. Ich meine, du machst diese ganze Scheiße und lässt mich hängen, dann sagst du, dass du schlicht keine Lust auf Schei dung hast. Interessiert es dich überhaupt, wie ich dazu stehe?« Eine ältere Frau ging an uns vorbei und musterte uns. Ich war mittlerweile etwas lauter geworden, und sie hatte jedes Wort

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