Ohne Skrupel
verfluchte die
Nähe Münchens zu Italien. Gemäß seiner Anweisung musste er unbedingt noch am
Freitag anreisen, um möglichst übers Wochenende seinen Auftrag zu erfüllen. Bei
einem „echten“ Auftrag, d. h. gegen Bezahlung, war ihm der Wochentag völlig
egal, in diesem Falle aber nicht. Er wurde nicht bezahlt! Dieser Job lief in
der Kategorie „Wiedergutmachung / Nachbesserung“ und derartiges wollte er nicht
zusätzlich noch am Wochenende erledigen. Außerdem hieß es drei Tage – das fand
er dilettantisch, denn ein Profi musste sich viel genauer vorbereiten,
Fluchtwege erkunden, Örtlichkeiten und Gewohnheiten der Subjekte studieren und
Alternativen erarbeiten.
Einen Auftrag dieser
Komplexität würde er normalerweise mit mindestens 14 Tagen veranschlagen. Bei
dem Risikofaktor hätte er in seiner nach oben offenen Preisliste und je nach
Tageslaune so zwischen 20 und 30.000,- Euro veranschlagt. Demnach lag sein
Auftraggeber im Rahmen seines verpatzen Auftrags in der tschechischen Republik.
Victor Ivans Verlust summierte sich somit auf etwa 50.000,- Euro – 25.000 für
die Rückerstattung aus dem Tschechien-Drama und 25.000 für nicht erhaltene Gage
jetzt in Italien. Victor Ivan war absolut nicht motiviert! Die gesamte
Autofahrt über Österreich, den Brenner Pass, Südtirol, Bozen und Verona,
fluchte er vor sich hin und wünschte seinem Auftraggeber zumindest die Krätze
an den Hals. Hinzu kam grauenhaftes Wetter in Italien – von wegen ein paar Tage
im sonnigen Süden, weit gefehlt. Es war kalt und regnete wie aus Eimern.
Die Gischt der Lkw-Reifen
auf Italiens nassen Autobahnen nahmen Victor Ivan die Sicht und er kam, bedingt
durch mehrere Unfälle, in einige Staus. So wurde aus der veranschlagten
fünfstündigen Autofahrt eine fast neunstündige. Aus reinem Geiz hatte er sich
ein kleines, möglichst billiges Hotel im Internet in einem Vorort Modenas
ausgesucht. Es erinnerte ihn massiv an die primitiven Unterkünfte in diversen
3. Welt Staaten während seiner Zeit bei der Legion und als Söldner. Die
italienischen Matratzen und Betten in den billigen Absteigen waren generell eine
Katastrophe. In dieser Absteige hatte die Katastrophe die Ausmaße eines
Hurrikan-Tsunami-Sandsturmes! Die Dusche funktionierte nicht und der
Wasserdruck der Klospülung glich eher einem tropfenden Wasserhahn. Der Spiegel
war halb blind und die Schranktür ging immer von der Bodenvibration von alleine
auf, wenn man durch den Raum ging. Aber was kann man für 25,- Euro pro Nacht
von einem Ein-Stern-Hotel erwarten. Victor Ivan war kein sentimentaler Mensch,
aber seine Laune pendelte nun zwischen Melancholie, Selbstmitleid und
–Verachtung. Wie konnte er nur derart tief sinken, wie konnte jemand, der auch
schon 50.000,- Euro an einem einzigen Tag verdient hatte, nach so einer
beschissenen Autofahrt, so ein derart beschissenes Quartier beziehen und einen
derart beschissen bezahlten Job erledigen müssen? Eine tiefe Schwermut
bemächtigte sich seiner.
Aber Victor hatte auch
nicht die Großzügigkeit, den Hotelpreis zu bezahlen und auszuziehen, ohne das
bezahlte Geld auch abzuwohnen, so etwas tat er aus Prinzip nicht! Wenn man
schon kein Geld für den Job bekam, musste man sonst maximal sparen. Sogar die
Autobahngebühren und das Benzin für die Anreise nervten ihn. Mit Mühe bei der
Verständigung, denn niemand konnte englisch, deutsch oder russisch, erkundigte
er sich an dieser „Pseudo-Rezeption“ nach etwas Ess- und Trinkbarem und landete
letztendlich in einer Arbeiterbar ein paar Meter weiter, die an Qualität und
Niveau seinem Hotel in nichts nachstand. Das Essen war so gar nicht
italienisch, selbst im tiefsten Afrika hatten ihm die Bimbos besseres serviert.
Der Wein war billig und das nicht nur in Bezug auf den Preis! Normalerweise
hätte er keinen Schluck davon getrunken. Aber wenn er es recht verstanden
hatte, gehörte dies irgendwie zu der Menüpauschale. Nach dem grässlichen Essen
und Wein verlangte Viktor Ivan nach einer Flasche Wodka. „No Signore, non habiamo Wodka!
Solamente Grappa! Mi dispiace ...” Victor Ivan hätte vor Wut kotzen können!
Aus reinem Frust
bestellte er gleich drei Flaschen Grappa, jeweils einen Liter. Sein Vorrat für
die nächsten einsamen Nächte in seinem Quartier. Es war dies wohl
selbstgebrannter Grappa, wie der Wirt versuchte, ihm mit Händen und Füßen
verständlich zu machen. Normalerweise nicht für den Straßenverkauf, sondern nur
für den glasweisen Ausschank gedacht.
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