Ohne Skrupel
20 Jahre? Im Moment hatte er
da seine Zweifel. Bei Malinger war im Moment alles so zäh und kompliziert. Die
Auftragslage war sicherlich schlecht, aber die Geschäftsleitung blockierte
jegliche IT-Entscheidung und die Worte „Geld“ oder „Investition“ wurden zu den
Unwörtern des Jahres.
Franz hatte zu guten
Zeiten die wohl beste IT-Abteilung der Branche aufgebaut, aber jetzt drohte er
in die Mittelklasse abzusinken. Santa Cruz hatte ein sensationelles Konzept zur
Verbesserung der Datenqualität vorgelegt. Sie hatten es gemeinsam der
Geschäftsleitung präsentiert und aufgezeigt, was mit den benötigten 500.000,-
Euro kurz und mittelfristig für Einsparungen und Verbesserungen für die
Malinger-Gruppe hätten erzielt werden können. Aber keiner wollte sich
entscheiden, also wiedermal ein „geparkter Antrag“ und warten, warten, warten.
Er wollte eine
Veränderung. Einen neuen Arbeitgeber suchen – kleiner, regionaler, in einer
stabileren Branche. Vielleicht IT-Leiter in der Pharmaindustrie oder einer
Versicherung. Oder sollte er versuchen, bei einem seiner großen Lieferanten wie
IBM, Microsoft oder Oracle unterzukommen? Eine schöne Stelle im Labor, endlich
wieder selbst entwickeln und programmieren können. Ein ruhiger Job von 9:00 –
18:00 Uhr. Das klang im Moment sehr verlockend für Franz. Verlockend genug, um
nach Alternativen zu suchen. Und mit diesem Frust im Bauch verschickte er an
drei seriöse und ihm bekannten Headhunter eine E-Mail. Zum Vorfühlen sozusagen.
Franz war nun endlich bereit, einen fetten Strich unter das Kapitel Malinger
Autoteile zu ziehen. Sein Herzblut hing zwar an der IT-Abteilung und an seinem
Team. Er wollte allerdings auch aufräumen mit all dem Mist, den er seit Jahren
mit verantwortete und er konnte dem alten Herrn Malinger, der immer nur gut und
fair zu ihm gewesen war, einfach nicht mehr in die Augen schauen! Er hatte sich
die Entwicklung seiner IT-Abteilung teuer erkauft und mit Unmoral und
Illoyalität bezahlt. Aber nun wollte er den Preis nicht mehr entrichten. Es war
„Time for a Change“. Er musste raus und er musste nun diesen Schritt einfach
für sich und für sein ganz persönliches Überleben machen. Sonst würde er
garantiert vorzeitig mit Magen- oder sonstigem Krebs in der Kiste landen. Ja,
das Jahresende hatte etwas Gutes! Man konnte schlechte Dinge abschließen und vielleicht
neues Glück ins Leben lassen.
***
JP legte sich wirklich ins Zeug und
schuftete vor Weihnachten wie ein Ochse! Vor Jahresende musste ohnehin viel
mehr erledigt werden als während des Jahres und Dr. Dragers persönliches
Projekt „Mamba“ machte zwar Spaß, war allerdings noch mal ein ordentliches
Schippchen Mehrarbeit. Und da Franz Korber sehr genau die Auslastung seiner
Mitarbeiter einschätzen und bewerten konnte, war es äußerst schwierig, hier
noch ein zusätzliches Projekt mitlaufen zu lassen und es vor Franz geheim zu
halten. Dr. Drager wünschte immer noch nicht, dass Franz Korber oder sonst
jemand eingeweiht wurde. Als JP Anfang November seine Ausarbeitung für das
Projekt „Mamba“ Dr. Drager termingerecht vorlegte, begann mit diesem Moment
seine zweite Karriere als betriebsinterner „Sicherheitsmann“ und „Ermittler“.
JP war damals am Freitag
um Punkt 17:30 Uhr bei Dr. Drager im Büro – diesmal allerdings geschniegelt und
gestriegelt, im schwarzen Anzug und sogar mit Krawatte, was sie übrigens sehr belustigend
fand. Seine IT-Kollegen hänselten ihn tagsüber, ob er nach Dienstschluss ins
Konzert oder auf eine Beerdigung müsse? Die IT-Abteilung war üblicherweise in
ihrer Kleidung sehr leger. Eine saubere Jeans mit Hemd war schon die obere
Luxusklasse.
Dr. Drager studierte sein
fünfzehnseitiges Dossier fast 30 Minuten und stellte die eine oder andere
intelligente Frage. Als sie mit dem Lesen fertig war, lehnte sie sich in ihren
Ledersessel und schwieg ein paar Minuten. „Herr Santa Cruz, ich danke Ihnen! Wie
ich sehe, ist die Einschätzung von Herrn Korber bezüglich der Qualität Ihrer
Arbeit voll berechtigt! Ich bin einerseits völlig perplex und irritiert, aber
auch fasziniert, was Sie alles überwachen könnten und wie wenig dies im
Verhältnis nur kosten würde. Sie könnten diese Firma vollkommen gläsern machen
und durchaus vieles rasch und frühzeitig aufdecken. Einerseits will ich
unbedingt eine mögliche Indiskretion unserer Werkstoffentwicklung entlarven,
andererseits sind wir in Deutschland und nicht in einem Polizeistaat oder
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