Ohne Skrupel
Begierde
von Schwulen gewesen, aber das war ihm sonst völlig egal. JP selbst war durch
und durch „lesbisch“, da er ausschließlich auf Frauen stand.
Allerdings tolerierte und
akzeptierte er die sexuellen Neigungen anderer Männer oder Frauen ohne jegliche
Bewertung. Er fand, dass jedermann das Recht hatte, den oder die zu lieben, den
er oder sie wollte. Er hatte auch einige schwule und lesbische Freunde und auch
Verwandte. Das war nie ein Thema irgendeiner Diskussion gewesen. Aber in diesem
Falle, nach seiner Beförderung und der sehr großzügigen Gehaltserhöhung, war er
sich nicht mehr so sicher, wie er Franz´ sexuelle Ausrichtung finden und damit
umgehen sollte. Er wollte für seine Leistung bewertet und belohnt werden, nicht
aufgrund sexueller Fantasien oder Begehrlichkeiten. Aber der zeitliche Ablauf
war irgendwie interessant und spannend. JP erfasste die Zusammenhänge:
· Franz machte
einen Eintrag in seinem Kalender für den heutigen Tag, dass er einen Job in
Leipzig annehmen und seinen hiesigen Job kündigen will.
· Er hatte doch
vorhin gesagt: „Ich muss mal zum ‚Doc‘ – und kam wutentbrannt von diesem Termin
zurück.
· Franz flitzte wie
verrückt zu seinem PC, steckte einen USB-Stick ein und rannte dann wie von
Sinnen aus dem Raum, um kurz danach mit quietschenden Reifen vom Hof zu
brausen.
Die Frage war nun: Was
zum Teufel hatte „Doc“ mit dem USB-Stick zu tun? Hatte Franz den USB vom „Doc“
und wurde er irgendwie damit unter Druck gesetzt? Vielleicht wollte er sich um
eine Abfindung drücken oder Franz zum Stillschweigen erpressen? Aber warum?
Vielleicht sollte Franz besondere Gefälligkeiten erledigen? Bei welchem der
vielen „Docs“ war Franz eigentlich gewesen? Dieser Titel war im Hause Malinger
ja schon fast inflationär häufig vertreten. Kündigung war eigentlich Sache der
Personalabteilung, oder? Vielleicht hing das irgendwie mit den manipulierten
Daten und dem Diebstahl der Malinger-Produkte zusammen?
JP kam in diesem Punkt
nicht viel weiter. Er konnte nur ins Blaue spekulieren. Jedenfalls würde JP
demnächst die Malinger IT-Systeme auch nach eventuellen Zusammenhängen von
Franz Korber und „Doc“ durchforsten. Wenn man weiß, wonach man sucht, haben die
Computer-Nullen und Einsen so manches zu bieten. Für den heutigen Abend hatte
JP genug! Er machte das Licht aus und ging nach Hause. Bis zum nächsten Morgen
hatten sich seine Gefühle vielleicht wieder sortiert. Zu Hause konnte er noch
bei seiner Datenrecherche weitersuchen.
Daten: Davon hatte er
mehr als genug und erfahrungsgemäß war dies sehr viel besser als das
spannendste Fernsehprogramm.
24. März 2010, Paris
& München, kurz vor 24:00 Uhr
Felicitas kommt aus dem Lateinischen
und steht für „das Glück, die Seligkeit“. Felicitas ist der Name einer
römischen Gottheit und zweier christlicher Märtyrerinnen. Felicitas ist auch
der Name einer schönen Frau, bei der all dies im Moment ganz und gar nicht
zutraf. Felicitas war todunglücklich, sehr traurig und weit weg von jeglicher
Seligkeit.
Felicitas Meribeaux
hatte mal wieder furchtbaren Streit mit ihrem Ehemann François. Streit gab es
häufig in der letzten Zeit, aber dieses Mal kam es einem Erdrutsch und einer
Schlammlawine gleich. Zuerst ging es nur um ein bisschen Kindererziehung, dann
um unterschiedliche Interessen bei der Freizeitgestaltung, danach um
verschiedene politische Ansichten und plötzlich kippte die Stimmung und sackte
tief ab, ins Persönliche. Eine böse Anschuldigung folgte der nächsten und
steigerte sich ins Unsachliche und wirklich Gemeine.
Die beiden Kinder waren
zum Glück über Nacht bei Felicitas` Mutter, sie hatten wohl die häufigen
Streitereien der Eheleute in letzter Zeit bemerkt und suchten möglicherweise
bewusst Zuflucht bei Oma und Opa, wenn ihr Vater mal ausnahmsweise während der
Woche zu Hause war. François hatte vor einer Stunde wutentbrannt die
wunderschöne und riesige Stadtwohnung verlassen und war entweder ins Hotel oder
in eines seiner Häuser außerhalb der Stadt geflüchtet. Es war Felicitas einfach
nur egal. Sie war nun allein zu Hause und weinte, zum Teil aus Selbstmitleid,
zum Teil aus Wut, Verletztheit und Verzagtheit. Wie sollte es nur weitergehen,
mit ihr und François?
Der Streit heute war viel
persönlicher und unfairer als die bisherigen gewesen und sie war sich im Moment
nicht sicher, ob diese Kluft jemals noch
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