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Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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seinem Zimmer hinauf. Er ließ sich angezogen aufs Bett fallen, zog sich die Tuchent über und starrte an die Decke. Maurer war tot. Was würde sein Komplize jetzt machen? Abhauen, sich versteckt halten, völlig durchdrehen? In einem finalen Akt sich selbst umbringen und möglichst viele andere mitnehmen? Verdammt, ein Amoklauf war das Letzte, was sie jetzt noch bräuchten. Wenn ihn sein Aufenthalt hier nicht weiterbrachte, was dann? Dann musste er noch einmal bei den Opfern ansetzen … bei denen er keine Verbindungen zu Maurer vermutete. Die Ziermanns, sie Lehrerin, er Ministerialbeamter … die Rudenz … das war eine Gesellschaftsschicht, in der ein einfacher Mechaniker üblicherweise nicht verkehrte. Die ganzen Beziehungen der Laskas, der Bruder und dessen Verbindungen … und der Name! … Ein Mautner war ihm nicht untergekommen … dass der Junge nach dem Tod seiner Adoptiveltern den Nachnamen des Vaters angenommen hatte, war durchaus möglich … vielleicht hatte er auch seinen Vornamen geändert … Thomas… er war im Lauf der Ermittlungen doch irgendeinem Thomas begegnet … aber wo?… Schäfer stand auf, ging zum Waschbecken und schluckte eine Tablette. Dann zog er sich bis auf die Unterwäsche aus und legte sich wieder hin. Er schloss die Augen. Das Licht ließ er an.

37
    Gleich nach dem Frühstück machte sich Schäfer auf den Weg zur Bezirkshauptmannschaft. Über der Stadt hing dichter Nebel, dazu blies ein feuchtkalter Wind, der aus allen Richtungen zu kommen schien. Es waren kaum Menschen auf der Straße. Als Schäfer bei der Bezirkshauptmannschaft ankam und die Tür verschlossen vorfand, wusste er auch, warum: Samstag, kein Parteienverkehr. In der Hoffnung, dass irgendein Beamter liegengebliebene Akten abarbeitete, ging er einmal ums Gebäude – umsonst. Was sollte er jetzt tun? Einen Beamten aus dem Wochenende holen und zwingen, das Archiv nach über dreißig Jahre alten Unterlagen zu durchforsten, auf der Suche nach dem Namen eines Mannes, der dort vielleicht gar nicht zu finden war? Noch dazu ohne die Bewilligung der Staatsanwaltschaft. Übers Wochenende hierbleiben? Unvorstellbar – die Gegend hatte wohl nicht umsonst eine der höchsten Selbstmordraten. Er machte kehrt und ging Richtung Bahnhof. Als er am Revier vorbeikam, überlegte er, seinen Kollegen das Telefon zurückzugeben; doch dann könnte ihn Wirz nicht erreichen; das wollte er nicht riskieren. Der Zug nach Unzmarkt fuhr um zehn Uhr dreißig – Schäfer blieb noch gut eine Stunde, die er im Bahnhofsbuffet verbringen wollte, wo die drei einzigen Gäste sich langsam, aber sicher in den Selbstmord zu trinken schienen: Bier und Schnaps am Morgen; Schäfer bestellte einen doppelten Espresso und ein Mineralwasser und setzte sich an den hintersten Tisch. Ob sie eine aktuelle Tageszeitung hätten, fragte er die Kellnerin. Ohne ihm zu antworten, griff sie unter den Tresen und brachte ihm die „Kleine Zeitung“.
    Auf der Titelseite war ein Foto abgebildet, das Bruckner beim Sturz durch die Scheibe zeigte; verzerrt und unscharf; offensichtlich mit einem Mobiltelefon aufgenommen. Schäfer schlug die Zeitung auf und las den Bericht, der sich über vier Seiten erstreckte.
    Maurers Geschichte – oder was die Medien in der kurzen Zeit über ihn herausgefunden hatten – war in einem eigenen Kasten abgedruckt. Bis auf ein Sittlichkeitsvergehen Anfang der Neunziger hatte er einen einwandfreien Leumund. Wollte Schäfer der Zeitung Glauben schenken, war Maurer einmal angezeigt worden, einen Fünfzehnjährigen verführt zu haben. Er war mit einer bedingten Strafe davongekommen. Maurer ein Homosexueller … lag darin die Abhängigkeit, in der er sich von seinem Komplizen befunden hatte? Schäfer legte die Zeitung weg und ließ seinen Blick durchs Lokal schweifen. Einer der Männer, die an der Bar standen, hatte offenbar genau darauf gewartet. Er schwankte auf Schäfers Tisch zu, griff sich mit beiden Händen an den Gürtel und fragte, ob ihm irgendetwas hier nicht passe. Obwohl Schäfer solche Situationen schon hunderte Male ohne Aggressionen bewältigt hatte, schoss ihm diesmal sofort das Adrenalin in den Körper. Er wusste nicht, was er erwidern sollte; schaute dem Mann nur in die Augen, als könnte der es wissen. Davon fühlte sich dieser allerdings nur bestätigt, trat noch näher heran und stützte sich mit den Fäusten auf die Tischplatte. Schäfer griff langsam ins Jackett, zog seine Dienstwaffe und richtete sie mit zitternden Händen auf den

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