Ohnmachtspiele
Dach, die ihn augenblicklich an einen Film erinnerte, den er kürzlich gesehen hatte: Es war um eine Weinbäuerin gegangen, die sich in einen Partisanen verliebt und diesen am Dachboden versteckt hatte. Ein schmales Einzelbett, ein Waschbecken und ein riesiger Schrank, den Schäfer sich erst gar nicht zu öffnen traute – aber Gepäck hatte er ohnehin keines.
Er öffnete das Fenster und zündete sich eine Zigarette an. Die Aussicht war in Ordnung: der Schlossberg, die Altstadt … er nahm das geliehene Telefon aus der Tasche, wählte die Nummer der Sicherheitsdirektion und ließ sich mit Bergmann verbinden.
„Sagen Sie mir was Gutes, Bergmann.“
„Bruckner ist okay … zwei Rippen gebrochen und zwei Schrotkugeln im Arm … die neuen Westen scheinen wirklich besser zu sein …“
„Danke!“ Schäfer atmete laut aus.
„Das Tragische ist, dass Maurer laut Bruckner gar nicht auf ihn schießen wollte … er hat ihm das Gewehr hingehalten, dann hat sich ein Schuss gelöst … Bruckner ist durch die Scheibe geflogen … tja … und dann gab’s kein Halten mehr … wobei wir eigentlich verdammtes Glück gehabt haben …“
„Na, Hauptsache Bruckner geht es gut …“
„Das natürlich auch … aber ich habe jetzt die Tankstelle gemeint: Dass die bei dem Beschuss nicht in die Luft geflogen ist, grenzt an ein Wunder …“
„Daran habe ich noch gar nicht gedacht … Herr im Himmel, das hätte wirklich in die Hose gehen können … hat der Maurer irgendwas gesagt?“
„Ja … dass es nicht seine Idee war … “
„Keinen Namen, nichts?“, seufzte Schäfer resigniert.
„Nichts … dass es ihm leidtut …“
„Das hilft mir jetzt auch nicht weiter. Ich bleibe über Nacht hier, Bergmann … treffe mich später mit einem von der BH, der sich vielleicht an die Adoption erinnern kann.“
„Erreiche ich Sie unter dieser Nummer?“
„Ja … und tun Sie mir bitte einen Gefallen: Rufen Sie am Posten in Murau an und sagen Sie den Kollegen, dass es Bruckner gut geht …“
„Mache ich … passen Sie auf sich auf!“
Schäfer warf die Zigarette mangels Aschenbecher in den Garten hinaus, schloss das Fenster und legte sich aufs Bett. Ein paar Minuten später stand er wieder auf, öffnete die Tür, horchte in den Gang hinaus, machte die Tür wieder zu und drehte den Schlüssel um.
Die Federn der Matratze quietschten, eine drückte ihm in den Rücken und er wälzte sich herum, bis er eine erträgliche Position gefunden hatte.
„Da haben sie es ja bei uns in der U-Haft besser“, murmelte er und schlief bald darauf ein.
Da sie zu viert waren, hatte Herr Winkler aus den drei Schnitzeln kurzerhand Geschnetzeltes gemacht. Dazu gab es Kartoffelrösti und grünen Salat. Schäfer schmeckte es ausgezeichnet. Er fragte sich, ob Frau Winklers abschätziger Kommentar über die Kochkünste ihres Mannes daher rührte, dass sie noch viel besser kochte, oder weil er selbst mit hausgemachter Kost nicht eben verwöhnt war.
„Fantastisch“, schmatzte Schäfer, „lange nicht mehr so gut gegessen.“
„Jetzt übertreiben Sie aber, Herr Inspektor“, meinte Frau Winkler.
„Hättest du halt kochen müssen“, erwiderte ihr Mann grinsend.
„Also die Frau“, brachte sich Wirz, der ehemalige Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft, ein, „das muss die Franziska Mautner gewesen sein … sonst fällt mir keine ein, die zu der Zeit einen Buben zur Adoption freigegeben hat.“
Wäre es jetzt allzu unhöflich, aufzustehen und Bergmann anzurufen? Schäfer blieb sitzen.
„Warum hat sie ihn nicht behalten?“, wollte er wissen.
„Ja … das war so eine Geschichte … sie war selber ein lediges Kind und ihre Mutter ist früh gestorben … also waren auch keine Großeltern da … und dann hat sie in Graz gearbeitet und dürfte da in die falschen Kreise gekommen sein …“
„Welche Kreise?“
„Gesagt hat man, dass Sie sich prostituiert hat …“
„Und das Kind war …“
„Nein … das war ziemlich sicher von einem Slowenen, der im Werk in Donawitz gearbeitet hat … den haben sie abgeschoben wegen irgendwelchen Drogengeschichten … das weiß ich nicht genau …“
„Wie hat der geheißen?“
„Pah … da fragen Sie mich jetzt zu viel … Toma, glaub ich … oder Tomislav …“
„Ja“, erinnerte sich Frau Winkler, „das war ein fescher Kerl … ganz ein dunkler, aber ganz blaue Augen …“
„Kennen Sie den Nachnamen?“
„Nein … die Franziska hat keinen Kindsvater angegeben … da müssten Sie in
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