Ohrenzeugen
war nur zwei Mal passiert, zwei Mal. So tragisch war das jetzt auch wieder nicht. Kein Grund jedenfalls, Schluss zu machen.
Und der Rudi war immer nett zu ihm gewesen. Und er wäre gerne familiär mit ihm verbandelt gewesen, sehr gerne, dann hätte er den Rudi ganz offiziell Papa nennen können.
Seinen eigenen Vater hatte er schon seit zehn Jahren nicht mehr gesehen und seine Mutter war demenzkrank und wohnte im Wolfgangsstift.
Einmal in der Woche besuchte er sie und brachte ihr einen Blumenstrauß mit. Sie erkannte ihn selten. Es war hart, sie so zu sehen, und er fühlte sich hilflos, sehr hilflos.
Meistens ging er dann nach Hause und besoff sich. Er wusste, dass er zu viel trank. Aber es war so herrlich einfach.
Es half zu vergessen. Silke zu vergessen und Rudi zu vergessen.
Rudi, den er wirklich ehrlich gemocht hatte. Vielleicht sogar geliebt, könnte man sagen. Wie einen Vater. Verdammt. Es traf immer die Guten.
Sita bellte. Sie wusste es genau, wenn sie mitdurfte.
Fröhlich folgte der Hund seinem Herrchen und wollte schon um das Auto herumlaufen, um im Fußraum des Beifahrers zwar verkehrsunsicher, aber gemütlich Platz zu nehmen. Heiko öffnete jedoch die hintere Tür und breitete die Hundedecke auf dem Rücksitz aus.
»Heute musst du hinten sitzen, Sita«, sagte er und der Dackel kletterte zwar irritiert, aber dennoch brav auf die Decke.
»Wir nehmen doch Lisa mit«, erklärte er und der Hund blickte gleich viel verständnisvoller drein.
Sie fuhren los– nach Onolzheim.
Heiko ließ es krachen, weil es Spaß machte, und so standen sie in kaum fünf Minuten vor Lisas Wohnung.
Er ließ kurz auf Lisas Handy anklingeln und gleich darauf kam sie aus der Tür.
Sie trug eine hellblaue Jeans, ein braunes Top und eine sehr coole braune Lederjacke. Wieder einmal sah sie schlicht umwerfend aus.
Heiko stieg aus und hielt ihr die Tür auf. Lisa kletterte in den Wagen.
»Und wo ist deine Mitbewohnerin?«, wunderte sie sich, als Heiko wieder neben ihr saß.
»Auf dem Rücksitz!«, antwortete er.
Lisa drehte sich fragend um und erschrak fast zu Tode, als sie eine wütend aussehende Dackeldame erblickte. Dann lachte sie, laut und schallend.
»Och, hast du mich jetzt aber erschreckt«, tadelte sie den Hund lachend und wuschelte der Dackelin ohne zu fragen durchs Fell.
Augenblicklich hörte das Knurren auf, stattdessen schnupperte Sita neugierig an Lisas Hand und leckte schließlich daran.
»Iiiiih«, machte Lisa nun, lachte jedoch immer noch. Das war gut. Leute, die Hunde mochten, waren gute Menschen.
Sie bogen bereits in den Steinbruchweg ein. Das Peanuts hatte eine ganz und gar nicht günstige Lage– zwar landschaftlich schön direkt an der Jagst, jedoch in einem Wohngebiet und fernab vom Zentrum, neben dem Tierheim.
Trotzdem hatte sich Blumi, der Wirt, mit seinem hervorragenden Chili und seinem gewissenhaften und immer schnellen Bierausschank innerhalb weniger Jahre hier fest etabliert. Heiko parkte den M3 auf dem Parkplatz, wie immer so, dass andere Autos beim Ausparken keine Schramme in den Wagen fahren konnten.
Sie stiegen aus und Lisa lief ein paar Schritte in Richtung Jagst.
Die Bäume rauschten leise im Nachtwind und der beinah volle Mond spiegelte sich im leicht gekräuselten Wasser, das schwarz und dunkelblau leuchtete.
»Hier war ich noch nie«, sagte Lisa geistesabwesend.
»Schön, gell?«, meinte Heiko. Lisa nickte.
Dann stiegen sie die knarzende Holztreppe hinauf und betraten das Peanuts. Wie immer war es schummrig und verraucht.
Auch hier kümmerte sich niemand um das Rauchverbot, was Heiko natürlich gerade recht kam. Das gehörte zu einer richtigen Kneipe eben dazu.
Aus den Lautsprechern ertönte Rockmusik, einige Jugendliche spielten Dart und an der Theke, unter dem Schild mit dem ›Bier unser‹, stand Blumi– ungefähr 40, mit dunklem Haar, Dreitagebart und einem Ohrring. Und immer im schwarzen T-Shirt.
»Hallo, Herr Wüst«, grüßte er. »Gibt’s widder a Razzia?«
Heiko salutierte und zog Frau und Hund die Treppe hoch zu den Tischen.
Blumi kam sofort und putzte den Tisch. »Ii bin der Blumi«, stellte er sich vor und streckte Lisa die Hand hin.
Lisa ergriff sie. »Angenehm«, sagte Lisa. »Lisa Luft!«
Blumi unterdrückte ein Grinsen. »Was darf i euch bringa?«, fragte er dann.
Heiko bestellte eine Cola und Lisa einen Weißwein.
»Gibt’s hier auch was zu essen?«, fragte die Kommissarin und sah sehr hungrig dabei aus.
»Chili«, schlug Blumi vor.
»Und
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