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Ohrenzeugen

Titel: Ohrenzeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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Heikos Hand rotierte schneller. »Der Dritte auf der Liste ist der Held, nicht?«
    Lisa stimmte zu. »Auf jeden Fall schadet es nicht, wenn wir Held mal nach seinem Alibi fragen.« Heiko dachte kurz nach und sagte dann: »Gut. Gehen wir. Und Lisa, noch eine Sache: Lassen wir doch das Theater. Du kannst dich wieder normal benehmen! Wenn du nicht willst, dann lass es. Vergessen wir einfach alles, für mich ist das kein Problem.«
    Er schluckte. Eine peinliche Pause entstand. Heiko fluchte innerlich. Was erwartete er denn? Dass sie ihm um den Hals fiel? Dass sie ihn anschrie? Dass sie ihm versicherte, sie würde diesen blöden Idioten augenblicklich in den Wind schießen? Das, was sie tat, war schlimmer als all diese Möglichkeiten. Sie tat nichts dergleichen. Sie tat gar nichts.
     
    Erst sah es so aus, als sei keiner zu Hause. Sie warteten nun schon geraume Zeit vor der Tür. Der Gartenweg war der ordentlichste, den beide je gesehen hatten. Akkurat geschnittene Rosenbüsche säumten ihn, außerdem Buchsbaumkugeln und in Kegelform getrimmte Thujas.
    Selbst die Klingel war ordentlich, der Name ›Dr. Held‹ war mit Hilfe einer Normschriftschablone mit schwarzem Filzstift geschrieben worden.
    Sie läuteten, aber es rührte sich nichts. Schließlich, als sie schon wieder gehen wollten, öffnete sich drinnen eine Tür und jemand kam zur Haustür. Held sah durch den Türspion und machte dann mit einem undeutbaren Lächeln auf. Heute trug er eine olivfarbene Strickweste. »Ah, Bollizei! Grüß Gott, kommt rein«, sagte er.
    Das Wohnzimmer dominierte ein riesenhaftes Bücherregal aus Eichenholz, das vom Boden bis zur Decke reichte und die komplette Wandfläche einnahm. Es gab eine gelbe Abteilung mit Reclamheftchen, die ungefähr einen Quadratmeter ausmachte, mehrere alte, mehrbändige Werke mit blau- und rotgoldenem Einband, Hunderte einzelner Bücher und große Bildbände. Alles fein säuberlich sortiert.
    »Wow!«, entfuhr es Heiko. Held steckte die Hände in die Hosentaschen und nahm sie gleich wieder heraus.
    »Ja, Lesen bildet.«
    Er wies auf die bordeauxrote Sitzgruppe. »Setzt euch, bitte«, forderte er sie auf. »Tee?«
    Lisa winkte dankend ab. »Wir kommen gerade vom Kaffeetrinken.« Held nickte und setzte sich ihnen gegenüber. In der Ecke tickte eine alte Standuhr aus dunklem Holz und schwenkte bedächtig ihr schweres Pendel hin und her.
    »Also?«
    Heiko räusperte sich. »Herr Held, von den Kleintierkumpels vom Herrn Weidner haben Sie bisher das schlechteste Alibi. Leider.«
    Held zog die Augenbrauen zusammen.
    »Ich bin halt Witwer, ich kann auch nichts dafür, und glaubt mir, Alleinsein ist beschissen!«
    Lisa nickte mitfühlend und lächelte gleichzeitig aufmunternd. »Überlegen Sie doch mal: Haben Sie an dem Abend wirklich gar nichts mehr gemacht?«, fragte Heiko weiter.
    Held zog die Schultern hoch.
    »Waren Sie vielleicht bei der Tankstelle? Beim Geldautomaten? Oder Zigaretten kaufen?«
    »Nein! Ich rauche nicht!« Der Oberstudienrat schüttelte den Kopf. Das Ticken der Standuhr nervte.
    Pause.
    Heiko registrierte den Teppichboden mit Jagdmotiv.
    »Doch, jetzt fällt mir was ein!«, entfuhr es Held plötzlich, und er begleitete seine Äußerung mit einem begeisterten Schnipsen seiner Finger.
    »Ich habe noch eine E-Mail verschickt!«
    »Und an wen?«
    »An einen Kundenservice. Vom SchleckiFressi.«
    »Vom was?«
    »Na, vom SchleckiFressi! Das ist ein Online-Tierfutterversand! Ich zeige es euch, einen Moment! Kommt mit!«
    Held schlappte voraus in den angrenzenden Raum, der wohl das Arbeitszimmer war. Auch hier stand ein riesenhaftes Bücherregal, allerdings mit Atlanten, Schulbüchern und ähnlichem Zeug. »Des Arbeitszimmer konnte man steuerlich absetzen, als ich noch im Dienst war, wisst ihr«, erklärte er. Auf einem gigantischen Eichenschreibtisch erblickten sie einen etwas altmodisch wirkenden Computer, dessen Tasten schon recht angegraut waren. Der Computer lief bereits, wie die verhältnismäßig doch sehr laute Lüftung verriet. »Moment, ich logg mich ein«, sagte Held nun und wirkte dabei ziemlich fachmännisch. »Gleich hab’ ich’s!«
    Nach einer Minute Hacken war er in seinem Outlook-Account und zeigte nun triumphierend das Ergebnis: »Da! Sonntagabend, 1.15 Uhr: ›Eingangsbestätigung: Wir haben Ihre Nachricht erhalten!‹ Gott sei Dank hab’ ich das noch nicht gelöscht! Und da, im Postausgang: ›Beschwerde‹, gesendet am Sonntag, 1.13 Uhr!«
    Lisa und Heiko lasen:
     
    »Sehr

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