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Ohrenzeugen

Titel: Ohrenzeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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geehrte Damen und Herren,
     
    mein Name ist Wilhelm Held. Als Mitglied des Kleintierzuchtvereins Crailsheim züchte ich Holländer Hasen und das mit einigem Erfolg. Ich konnte schon mehrfach Preise mit meinen Tieren gewinnen, unter anderem bei der Tierprämierung des Fränkischen Volksfestes. Darauf bin ich sehr stolz. Ich hege und pflege meine Holländer mit größtmöglicher Sorgfalt, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. Das Futter beziehe ich von Ihrem Online-Versand. Bisher war ich auch immer sehr zufrieden mit der Ware. Nur neulich gab es einen geradezu desaströsen Zwischenfall: Ich habe Ihre neue Futtersorte, nämlich ›Superrabbit 3000‹, gekauft.
    Wie immer, habe ich auf gewohnt gute Qualität vertraut. Nur wurde mein Vertrauen leider bitter enttäuscht. Das sehr teure Produkt hat, anders als auf der Verpackung angegeben, keine Verbesserung der Felldichte hervorgerufen. Auch der ›brillante Glanz‹ des Fells ließ zu wünschen übrig. Einige der besten Rammler haben das Futter sogar verschmäht– wohl instinktiv, da eine meiner Häsinnen davon starken Durchfall bekommen hat. Ich musste sie vom Tierarzt untersuchen lassen und für die Behandlung 53,71 Euro bezahlen.
    Leider war also Ihr Produkt ein totales Fiasko– wie verfahren Sie denn in solchen Fällen?
    Ich hoffe auf eine gütliche Einigung und verbleibe
     
    mit freundlichen Grüßen
     
    Ihr Dr. Wilhelm Held, Oberstudienrat.«
     
     
    Held hatte die beiden Kommissare beim Lesen prüfend beobachtet. »Gilt das?«, fragte er etwas ängstlich und knetete dabei seine Hände.
    »Die E-Mail ist ellenlang, da habe ich ganz schön lange dran gesessen!«, triumphierte der Pensionär.
    »Ja, okay. Fürs Erste ist es besser als nichts!«
    »Soll ich es euch ausdrucken?«
    »Bitte.«
    Schon hatte Held eine Taste gedrückt und das nervige Kreischen eines uralten Nadeldruckers ertönte. Zeitgleich klingelte Heikos Handy. Es war Uwe.
    »Hey, Heiko, gut, dass ich dich erwische! Du, also die letzten DNA-Spuren auf der Axt sind vom jungen Campo! Vielleicht solltet ihr…«
    »Wir fahren gleich hin!«, unterbrach ihn Heiko. Er legte auf und reichte Held die Hand. »Wir müssen uns verabschieden, Herr Held. Wir haben neue Erkenntnisse.«
    Der Oberstudienrat lächelte wohlwollend.
     
    Wilhelm Held blickte zum Fenster hinaus und sah die Kommissare diskutieren. Er ging in die Küche und goss sich ein Glas Cognac ein.
    Er war kein Säufer, bestimmt nicht. Zumindest nicht so, wie Rudolf Weidner es gewesen war. Der war ein Säufer gewesen, ein ganz brutaler Säufer. Er war immer beim Silvio rumgehockt oder bei seinen Hasen.
    Er, wenn er eine solche Familie wie der Rudi gehabt hätte, er hätte sich ganz anders um die gekümmert. Wenigstens aus Maximilian würde was werden.
    Und auch Silke hätte mehr aus sich machen können, wenn sie nicht so früh schwanger geworden wäre. Nur Karl war tatsächlich auf dem Hof gut aufgehoben. Um den Hof zu leiten, dazu fehlte ihm allerdings der Grips.
    Trotzdem, selbst der jüngste Weidner war in Ordnung, im Großen und Ganzen. Und Erna war eine wunderbare Frau. Immer noch schön. Und das Beste an der Familie von Rudolf Weidner war: Sie lebte noch.
    Er selber hatte da schon weniger Glück gehabt, viel weniger. Er und seine Helga hatten lange probieren müssen, bis es geklappt hatte mit einem Kind. Drei Fehlgeburten hatte seine Frau gehabt und das war eine schlimme Zeit gewesen, eine sehr schlimme Zeit.
    Aber dann waren sie so glücklich gewesen mit der kleinen Berta. Und alles war wieder gut geworden. Bis seine Frau den Schlaganfall bekommen hatte und letztlich daran gestorben war. Das hatte ihn in ein tiefes Loch gerissen und er hatte damals nicht geglaubt, dass er jemals wieder würde lachen können. Oder auch nur sich würde freuen können.
    Er nippte am tröstlichen Getränk.
    Und nur Berta zuliebe hatte er sich damals wieder aufgerafft, sonst wäre er glatt in den Wald gegangen und hätte sich aufgehängt. Sowieso hätte ihn keiner vermisst. Er hatte zwar Freunde, aber keine guten. Er hatte Verwandte, aber nur entfernte. Niemand, den es wirklich interessiert hätte.
    Aber er hatte sich zusammengerissen. Für Berta. Und dann, nach fünf Jahren, war die Katastrophe passiert. Und nur eine Person auf der Welt hatte ihn damals davon abgehalten, seinem Leben ein Ende zu setzen.
     
    »Und, was meinst du zu Held?«, fragte Lisa sinnend, als sie den Gartenweg entlanggingen.
    Heiko grübelte. »Na ja. Also das mit der E-Mail ist kein

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