Ohrenzeugen
sie in Richtung Rathaus. Aus einer Tür drang Technomusik. Er zog sie nach links, vorbei am Hotel Post Faber, wo er ja wohnte. Sie folgten der Straße, stiegen die Treppe beim kurzen Stück Stadtmauer hinab, eines von zweien, das Crailsheim nach dem Bombardement von 1945 erhalten geblieben war.
Schließlich standen sie auf der Jagstbrücke. Der Mond spiegelte sich silbern im Fluss und das Wehr rauschte.
Stefan hielt sie umfasst und sah ihr tief in die Augen. Dann fingerte er in seiner Tasche herum. Nervös. Fahrig förderte er ein kleines Etui zutage und klappte es auf. Es enthielt einen Ring. Einen Ring mit einem enormen Diamanten, so groß, dass er nicht echt sein konnte. Dann sank er vor ihr auf die Knie.
»Lisa, willst du mich heiraten?«, fragte er mit zitternder Stimme.
Lisa sagte nichts. Sie war zu perplex. Sie wusste auch nicht, was sie antworten sollte. Sie wusste es einfach nicht.
Stefan richtete sich wieder auf und schlang die Arme um sie. Sie küssten sich. Der Mond. Der Fluss. Ein Kuss. Und plötzlich wusste Lisa ganz genau, was sie wollte.
Donnerstag, 30. April
Er sah auf den Wecker. Acht Uhr. Sein Schädel brummte. Fieberhaft überlegte er, wie er gestern nach Hause gekommen war, und kam zum Schluss, dass Blumi ihn in ein Taxi gesetzt haben musste.
Sein Handy piepste und er fischte danach. Ah, eine SMS von Lisa.
Eine ›Wir-müssen-reden‹-SMS.
War ja klar, worum es da gehen würde. Er drückte auf ›Nachricht löschen‹ und kostete den Moment aus. Das Handy fragte ihn, ob er die Nachricht auch wirklich löschen wolle, ganz sicher und ganz bestimmt, und er drückte auf ›Ja‹.
Er brauchte jetzt erst mal einen Kaffee. Ein Blick aus dem Fenster bestätigte ihm, dass sein Auto noch am Peanuts stehen musste. Verdammt, das bedeutete Fahrradfahren am frühen Morgen. Obwohl, vielleicht genau das Richtige für seinen Brummschädel.
Lisa saß schon am Schreibtisch, als er ins Büro kam. Sie lächelte ihn unsicher an, als er eintrat, küsste ihn aber nicht.
»Moorcha«, murmelte Heiko missgelaunt und hielt sich an seinem Automatenkaffeebecher fest, mit dem er den Rest des Katers zu vertreiben hoffte.
»Na, gut geschlafen?«, begann Lisa.
»Du bestimmt«, meinte Heiko bissig und vertiefte sich augenblicklich in die Akte.
»Hör mal, sei mir bitte nicht böse, ich musste mit ihm reden, er ist doch so weit gefahren!«
Heiko murmelte ein »Hm«.
Lisa seufzte. »Ich gebe zu, dass ich mit dem Gedanken gespielt habe, zu ihm zurückzukehren. Und wir haben uns geküsst, ja, einmal!«
Diese Auskunft versetzte Heiko einen Stich in die Herzgegend und er senkte betreten den Kopf. Lisa setzte sich neben ihn.
»Ja, einmal. Und er hat mir sogar einen Heiratsantrag gemacht.
Und weißt du, ich habe ihn so lange vermisst, so lange…«
Lisa hielt inne, Als Heiko kurz aufblickte und sie mit seinen braunen Augen für einen Moment direkt ansah. Gleich darauf starrte er wieder in die Akte. Sie schluckte.
»Es war eine Entscheidung nötig, Heiko, und ich habe mich entschieden. Das heißt, wenn du mich noch willst, dann würde ich gerne mit dir zusammen sein. Ich meine, wirklich sehr gerne!«
Heiko hielt den Kopf immer noch gesenkt, stur beinah, und Lisa konnte sein Gesicht noch immer nicht sehen.
»Heiko, ich mag dich sehr, weißt du, ich denke, das mit uns ist was Besonderes… oder könnte etwas Besonderes werden, findest du nicht?«
Der Kommissar runzelte die Stirn.
Hatte er da richtig gehört? Sie gab ihm nicht den Laufpass?
Gekränkter Stolz und Glück stritten in ihm. Rasende Eifersucht auf diesen Fischkopf, der es gewagt hatte, seine Lisa zu küssen.
Er dachte kurz nach. Dann kam er zu einem Ergebnis. Langsam stellte er den Kaffeebecher auf den Tisch und sah sie an. »Gehst du heut Abend mit mir aufs Maifest?«
Die Luft war nun milder, es hatte selbst jetzt am Abend deutlich über zehn Grad, und man fror nicht in Pulli und Jeansjacke.
Sie sah umwerfend aus in ihrer knallengen Jeans und der Lederjacke. Die beiden hatten das Auto, das Heiko noch schnell abgeholt hatte, am Straßenrand geparkt. Nicht weit weg vom Maifest, damit es nicht in Gefahr war, Opfer eines der berüchtigten Maistreiche zu werden. Die Glocke der Veitskirche läutete dreiviertel sieben, sie waren genau richtig. Um sieben würde der Maibaum aufgestellt werden.
»Das ist Tradition. Ist ursprünglich, glaub ich, so ein Fruchtbarkeitsritus. Im Mittelalter muss es in den Nächten ziemlich rund gegangen
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