Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
Vom Netzwerk:
erfassen läßt. Oder einer Eins, wenn ein Weibsbild wie das in Rede stehende beziffert werden soll. Doch glaube ich nicht, daß ich mir beim Anblick der Sekretärin des Bürgermeisters einen Ausdruck wie Weibsbild erlaubte. Zumal er zur fraglichen Zeit nur gemein und abschätzig klang und nicht in den Gemeinderaum gehörte. Schon gar nicht zu der Persönlichkeit, die an einem halbhohen und rundlichen Panzerschrank lehnte. Auf eine Weise, die zu den darstellenden Künsten zählt. Zur Darstellung kam, was herrlich doppelt an ihr war, und es muß dem nach Art der Künste Arbeit vorausgegangen sein. Ich habe nie versucht, an einem halbhohen Panzerschrank zu lehnen, wüßte auch nicht, wozu, aber daß die Figur, derer ich in dem Geschäftszimmer ansichtig wurde, nicht ohne Vorsatz und Aufwand zustande gekommen sein konnte, erfaßte sich sogleich. Wie mich ebenso gleich eine Lust ergriff, das mit Händen zu fassen oder mit Zählerfingern zu berühren, was mittels Arbeit aus roher Natur zum ergreifenden Kunstwerk gediehen war. Wenn es sich in der Bürgermeisterstube am Fuße der Ruhner Berge auch nicht um Uraufführung, sondern Premiere infolge Neubesetzung handelte, benahm ich mich, als sei mir dergleichen nie geschehen. Ich hörte dem Gebrüll in mir zu, das von Anfassen und Auffressen handelte, traute meinen Ohren nicht und auch nicht meinen Augen und stand doch mit allseits wachen Sinnen da, hielt die moorfarbene Viehzählertasche aus hochtechnischem Igelit vor meinen Bauch, streckte, um nicht nur diesen, sondern ebenso ein Greifverlangen zu kaschieren, die Zählerhand zum Gruße aus und hörte, dieweil ich das schlammfarbene Behältnis samt amtlichen Unterlagen auf die dorfamtlichen Dielen gleiten ließ, aus mir die unerhörte Bekundung dringen: ›Ich würde Siegern berühren!‹ Als sei dieser Wunsch zu weitläufig geraten, präzisierte ich ihn, kaum daß er mir von den mörteligen Lippen war: ›Ich möchte Sie an den Schultern fassen!‹ – Schultern , auch das war eine Konzession an meine Zivilisiertheit; Wortwahl infolge Zähmung; das Verbum fassen stellte eines hilflosen Mannes Hilfsverb dar. Doch weil die Frau wie von Rodin geformt in stürmisch innerer Erregtheit dastand und in einer Pin-up-Pose am dorfeigenen Panzerschrank lehnte, die ich aus Filmen mit Zsa Zsa Gabor oder Rita Hayworth kannte, muß sie mich verstanden haben. Die Künstlerinnen Gabor und Hayworth waren bei uns nicht im Umlauf, und mit Pin-up-Girls waren Schönheiten gemeint, die auf Glanzpapier taten, als seien sie speziell für unsereinen vorhanden. Jene dörfliche Schreibgehilfin tat wohl desgleichen, tat es aber nicht auf Papier. Kaum hatte ich mein Verlangen nach Kontakt mit ihren Schultern vorgetragen, ein Begehren, das nicht nur im Schatten der Ruhner Berge morgenländisch klingen mußte, kehrte sie mir, als sei es von Alters her gut ruhnerbergisch Brauch, diese Schultern zu, hob die Hände zag und zwingend und winkte mir ebenso behutsam wie unwiderstehlich. Was ich erfaßte, obwohl mein flirrender Blick viel zu verengt für Beiwerk aus Händen, Füßen, Knien, Ellenbogen und Schultern war. Ich muß ein Mensch von Willenskraft sein, denn es gelang mir für die Dauer, die es braucht, bis zwei zu zählen, meine Hände ruhigzuhalten. Käme die Frage nach Schuld auf, sagte ich, es war nicht meine allein und auch nicht allein die meiner Hände, daß diese sich wie von allein auf die Reise um Frau von Ruhnerberg machten. In deren Schultern könnte ein Zucken gewesen sein, ein Locken, eine Empfehlung, ein Befehl, nicht faul herumzuhocken, sondern auf Fahrt zu gehen um den weitläufigen Umriß der panzerschrankgestützten Bürokraft im Büro des Bürgermeisters einer ländlichen Gemeinde am Rande der Ebene zwischen den Ruhner Bergen und der mecklenburger Bierbrauerstadt Lübz. Meine Hände, denen ich ein atemloser Wegbegleiter war und deren bildnerisches Vermögen, mir den fremden Körper ohne weiteres in den Kopf zu setzen, ich so wenig glauben konnte, daß ich sie hieß, es noch und noch noch einmal zu tun, meldetenmir Wohlgestalt in reichlich bemessenem Wollgewirk. Ungeahnt nah an soviel Weib, fragte ich mich, ob unter Vielweiberei zu verstehen sei, was ich gerade trieb. Aber dann vertrieb mein Treiben weitere Gedanken. Es war zweifelsfrei unsittliches Betragen, was meine Gliedmaßen und ich an den Tag legten. Ob auch sittenwidrige Nötigung, ließe sich prüfen, freilich nicht unter Ausschluß des Wortpaars Wer wen? Bei aller Dringlichkeit

Weitere Kostenlose Bücher