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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Parteivorsitzende Ruth Fischer die Parteigründerin Rosa Luxemburg in aller Freiheit der Andersdenkenden mit einem Syphilisbazillus verglich. Daß Clara Zetkin sagte, in Teilen der KPD gelte als Intellektueller, wer ein ordentliches Deutsch zu sprechen wisse. Daß ausgerechnet der unversöhnliche Genosse Ulbricht als Versöhnler beschrieben stehe. Daß es beim Mitteldeutschen Aufstand und besonders beim unglückseligen Versuch, ihn auf norddeutsch fortzusetzen, insofern internationalistisch zugegangen sei, als deutsche wie russische Komintern-Emissäre revolutionäre Positionen einnahmen, die in späteren sowjetinternen Kämpfen als konterrevolutionär gebrandmarkt wurden.
    Solle er das nun als lustige oder als entsetzliche Stellen ansehen? fragte Ronald und verstieß damit gegen unverbriefte Regeln. Ob zu zweit oder dritt, ob zwischen Ronald und mir oder zwischen mir und Flair, unsere Gespräche, die oft ein Lastverteilen waren, gingen nur, weil wir die Grenze zwischen Erlaubtem und Unerlaubtem stets vor Augen hatten und einander Bekenntnisse nicht abverlangten. Das dürfte stalinistisch heißen: Des anderen Meinung dort nicht zu erwarten, wo sie dem sowenig bekommen wäre wie einem selber das Schweigen zu ihr. Es machte sich unangestrengt zwischen uns und hatte mit Opposition oder Opportunismus nichts zu tun. Wer an Wasser, Eis oder Dampf gerät, definiert sie nicht jedes Mal als Aggregatzustände. Ähnlich hielten wir es mit den Zuständen,in denen wir lebten. Die waren allem vorausgesetzt und bis zur endlichen Antwort vom allgegenwärtigen Wer wen? bestimmt.
    Es hatte nichts mit Opposition zu tun, daß wir einander auf Probleme brachten; es hatte mit unserer Position zu tun, daß wir von manchen schwiegen. Der Gegner war in uns niedergelassen wie der Teufel im gläubigen Christen. Teufel wie Gegner kamen in allen Aggregatzuständen vor. Die Ansicht, der Teufel sei nicht auf unseren Garaus aus, ging einfach nicht. Die Ansicht, der Gegner sei nicht auf unsere Seele erpicht, galt als Ansicht, die dem Gegner diente. Als eine von ihm in der Absicht, unseren Umlauf zu behindern, in Umlauf gesetzte Ansicht.
    Der Gegner redet von Lenins Testament? Das tut er, weil er bei uns nichts erben kann! Der Gegner sagt, Stalin habe seine Gefährten gefressen? Wer will wohl wen da fressen, Genossen? Der Gegner lobt die innerkommunistische Opposition? Müssen wir uns dann nicht mit Stalins ehernen Worten fragen: »Wird eine organisierte, geschlossene Kommunistische Partei Deutschlands mit eiserner innerer Disziplin sein oder wird sie nicht sein?«
    Wer weitere Erkundigungen hatte, suchte nach einer gemäßen Form. Flair, Ronald und ich hielten es für parteigemäß, an Dinge zu rühren, indem wir sie benannten. Bekenntnisse wurden nicht verlangt; es stand in jedermanns Belieben, sie zu liefern oder auch nicht. So stand es im Belieben vom Gehilfen des Beraters, aufzustehen und seinem Assistenten zu sagen, er wisse nun zur Stimmigkeit der Kulisse genug. Er sah noch einmal auf den See und schien sich zu fragen, wie ausgeschlossen es sei, daß der Genosse Ulbricht und der Ungenosse Brandler, vielleicht als Wassersportler gewandet oder wenigstens mit aufgekrempelten Ärmeln wie auch Hosenbeinen, Boot an Boot zu beiden Seiten der Demarkationslinie zwischen Deutsch-Ost und Deutsch-West vor Anker lägen und die Dinge des Jahrhunderts beredeten oder gar ihre Versäumnisse in den Kämpfen der Weimarer Zeit. Wonach sie zu den Chancen eines Zehlendorfer Aufstandes überleiteten und in einen Meinungsaustausch eintraten, in dessen Ergebnis der Genosse Walter demrehabilitierten Genossen Heinrich von Bord zu Bord eine Einladung zur festlichen Premiere des Thälmannfilms überreichte und auf die Frage des ehemaligen Fliesenlegers Brandler, ob er sich besonders anziehen müsse, versicherte, keineswegs, auch er komme wie er jetzt sei, nur nicht ganz so aufgekrempelt. Indem diese Bemerkung beide Seiten erheiterte, gab sie dem Treffen eine versöhnliche Note. Ebenso wie die Tatsache, daß Brandler die Überschrift eines Radek-Artikels noch wußte, die der Paukerhaltung Stalins, wie er wörtlich sagte, nichts schuldig blieb: »Soll die Vereinigte Kommunistische Partei Deutschlands eine Massenpartei der revolutionären Aktion oder eine zentristische Partei des Wartens sein?«
    Nach dieser von mir vermuteten Überlegung Ronalds und meiner stummen Spekulation, inwieweit wohl die Lippenleser an den antagonistischen Ufern des Griebnitzsees auf die Diktion des

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