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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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tumber Kindermund. Fehlt nur, er pfeift in den Halden! Fragt sich: Pfeift er auf sie?
    Ach, ich versuche nur, etwas vom Gemenge der Zeit in den Bericht zu retten. Bußfertigkeit lag grundsätzlich vor, aber wenn du nichts siehst und die Nase voll Moder hast und die Stadt sich kaum hören läßt und die Landessprache aus dir tönt, wie es nicht ganz der Art des Staates entspricht, und du in deiner Muttersprache besser schweigst, weil nur ein Allerweltszettel in deiner Tasche behauptet, es habe mit dir seine Richtigkeit, und wenn du, träfest du jemanden, ihn infolge deiner optischen Beschränktheit nicht gewahrtest, und wenn du, träfe dich etwas, es erst gewahrtest, wenn es dich träfe, und wenn du zu deinem Troste nur weißt, hier wohnt keiner mehr, hier geht keiner her, hier stoßen nur Lichtscheu und Nachtblind aufeinander, dann sind Oder und Neiße dir egal, und der Gedanke an die, die hier übereinander wohnten, verweigert sich dir eine Weile, und ein Gedenken an den nahen Umschlagplatz, über den die Eingepferchten ihr überquellendes Quartier verließen, bleibt frevelhaft aus, weil dein Kopf mit allerhöchstdero Ängsten zu tun hat und dein Mumm gerade nochzu vorhandenen Mustern reicht, so daß du ähnlich dem Arzt, der tröstend sagte, wo Schmerz sei, sei auch Leben, sagen kannst, wo Angst sei, sei Leben, ansonsten müsse der Kopf ähnlich dem Herzen schweigen, da alle Energie der Kommunikation gehört, die den heimkehrenden Boten mit der Welt verbindet, mit einer ihrer Schienen nur, aber durch einen Kontakt, dem es an Innigkeit schon deshalb nicht gebricht, weil kein Taubenfuß ihn herstellt, sondern eine Sohle aus solidem Holz, die sich an einen Strang aus solidem Eisen schmiegt.

5
    Die Raben haben mich nicht gefressen, die Ratten und die Molche nicht; ich habe die Gänsestraße erreicht und mich gefragt, wie ich der widerwärtigen Blindheit entkommen könne. Den Hohen Antifa-Rat ließ ich wissen, ich müsse bald noch einmal auf den Weg. Es gelte, Licht in eine Sache zu bringen. Ja, gewiß werde ich berichten, was dabei herausgekommen sei.
    Den Bericht gab ich am Tag nach der Tat. Ich sagte dem Rat von dem Rat, den mir die Gärtner gaben, sparte den Mangel an Licht nicht aus, verschwieg nicht meinen Gang zur empfohlenen Adresse, beschrieb, wie freundlich mich das Internationale Rote Kreuz empfangen habe, führte auch den Argwohn an, der mir bei aller Höflichkeit entgegenschlug, zeigte die Kapseln, von denen ich zwei als bereits verzehrt angeben mußte, erwähnte den Tee, der mir eingeschenkt worden war, brachte das Gespräch wortwörtlich zu Gehör, das der Schweizer mit mir führte, wobei er sich Mühe gab, es nicht wie Verhör klingen zu lassen, fragte meine Ratskollegen, ob sie wissen wollten, wie es bei den Gärtnern des Staatspräsidenten zugehe, und erfuhr, davon wünschten sie im Augenblick rein gar nichts zu hören.
    Vielmehr wollten sie beim Schweizer verweilen und bewirkten beinahe, daß ich mich über den dithmarsischen Schweizerdegen hinaus für einen Schweizer hielt. »Da habt ihr also Tee getrunken. Darf man erfahren, ob er ohne Zutaten war?« Meines Wissens habe man mir nichts ins Getränk getan, erwiderteich und hörte: »Deines Wissens! Hast du deinem Schweizer, wo du einmal dabei warst, außer deinem auch unsere Namen angegeben? Hat der gute Mann sie hören wollen?«
    Er sei nicht mein Schweizer und vielleicht auch kein guter Mann, sagte ich, aber ein Mensch im Besitz von Pillen, mit deren Hilfe ich hoffentlich bald besser sehen könne; er habe nichts dergleichen gefragt, und ich habe nichts dergleichen gesagt, und es reiche jetzt.
    Mit dieserart Bescheid bin ich bei dieserart Gesprächen nie durchgedrungen. Immer mußte ich mir einreiben lassen, das Bemessen sei im Augenblick nicht bei mir. Sie stellten die Fragen und hatten auch zu sagen, wann es genug damit sei. Wenn es ihnen reiche, reiche es, und im Augenblick reiche es ihnen keineswegs. Wo also waren wir stehengeblieben?
    Genau an diesem Punkt in dieser Rille dieser Platte, scheint mir manchmal, hat mein Leben immer wieder angehalten: Bei der lustvollen Erkundigung, wo wir stehengeblieben seien. Besagen wollte sie, daß man fortfahren solle. Nicht in eine beliebige Richtung, sondern dorthin, wo die Wahrheit liege. Deren Gehalt nicht Sache meines Gutdünkens sei. Sondern vielmehr eine ihres Bestimmens.
    Später wurde ich, besonders dringlich von mir, gefragt, warum ich mir diesen Umgang habe gefallen lassen. Eine Einvernahme, bei

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