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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Witze zu machen. Dessen Sehkraft übertreffe die des Volkskammerplenums bei weitem. Der sei gebildeter als Rektor und Senat der Humboldt-Universität zusammen. Gegen den müsse sich der Internationale PEN-Club inklusive seiner nationalen Filiale noch mächtig ins Zeug legen.
    »Soweit ich dich verstanden habe, besagt das nichts«, sagte ich und fügte hinzu, wir hätten es nun einmal stark gefunden, den Meister des Wortes klagen zu hören, wäre er ein wenig älter, müßte sich Tolstoi an ihm messen lassen und nicht umgekehrt.
    »Erstens ist er tatsächlich ein Meister, und zweitens klingt der Gute zunehmend öfter albern«, antwortete Flair mit der Schärfe, die er prinzipielle Schärfe nannte. Aber nichts an seinen Büchern ändere sich, weil ihr Autor Unfug rede. Er wisse mir übrigens Leute, die ähnlich quatschten wie der alte Romancier. Sozusagen auf Vorschuß und ohne jede Aussicht, jemals erträglich schreiben zu können.
    »Eigentlich wollte ich mit dir über Fedia sprechen«, sagte ich.
    »Warum tust du es nicht? Warum mußt du erst an einem Jahrhundertautor dein Mütchen kühlen? Was deine Polizistin betrifft: Es gibt nichts zu bereden. Sie ist abgehauen. Basta. Du bist ihr kein Grund gewesen, hierzubleiben; sie sollte dir keiner sein, ihr nachzudenken. Du willst, daß ich dir in dein Leben rede? Berapple dich und melde dich endlich beim Fern-Colleg an. Der Abgang der Dame verschafft dir zeitliche Vakanzen. Nimm es roh und praktisch: Sobald du dich nach ihr verzehrst, greifst du zum Lehrbrief – ich taxiere deinen Schmerz auf sechs bis acht Semester. Wenn du willst, rufe ich Niklas an.«
    »Was unterrichtet er, das man bei dir nicht lernen könnte?« fragte ich und konnte mich beim besten Willen nicht hindern fortzufahren: »Kaltschnäuzigkeit? Mit praktischen Übungen, wie einer sein Herz einfriert?«
    »Zugunsten des Verstandes wärs nicht schlecht« sagte Flair, als habe er meine Frechheit nicht gehört. »Das, wenn er könnte,brächte ihm den Nobelpreis für Ökonomie. Oder den Stalinpreis für Verdienste um den Frieden. Mein Pritschenkumpel Niklas arbeitet über Kommunikation, Kybernetik und solch Elend.«
    »Und solch Elend soll ich studieren?«
    »Es wird ungern gesehen; da braucht es Leute mit Scharfsinn.«
    »Den ich bewiese, wenn mich deine Einschätzung anderen Sinnes machte?«
    »Den du beweist, indem du ihn für erwiesen hältst. Natürlich kannst du auch ausschließlich Lohnarbeiter bei deinem Tischbeißer bleiben. Die gute alte Arbeitsteilung: Du fertigst die Zettel; sollen andere die Programme machen.«
    »Es wird ungern gesehen, und ich soll es studieren?«
    »Ein kaltschnäuziges Kompliment, nicht wahr.«
    »Den Ausdruck nehme ich zurück.«
    »Der bleibt im Spiel; er gefällt mir«, sagte Gabriel Flair. »Ein Lebtag wär ich es gern gewesen.«
    »Wie du mit Fedia umgehst, schaffst du es.«
    »Ah, gut! Du hast das Wort nicht sehr weit zurückgezogen.«
    »Es war im Spiel, deiner Anordnung zufolge.«
    »Käme ich dir doch immer so bei. Dann bäte ich dich, die Dame nicht weiter zu bedenken. Welche Rechnung: Sie zieht sich ab und zählt nun doppelt! Oder hast du stets so heftig ihrer gedacht?«
    »Der jetzige Grund lag nicht vor.«
    »Sie liegt nicht mehr vor, Mensch! Eine Minderung, die dich beschwert. Ein Element, das zu doppeltem Gewicht kommt, indem es verschwindet. Was soll das sein? Physik, Methaphysik?«
    »Es wird sich um die ungern gesehene Kybernetik handeln.«
    »Rede nicht über etwas, von dem wir beide nichts verstehen«, sagte der Große Dramaturg, um dann beinahe sehnsüchtigen Tones fortzufahren: »Noch besser, du absolvierst bei Schorsch Niklas den Fernkurs und teilst ab und an die Früchte mit mir. Kybernetik, Kommunikation, wer möchte da nicht mitreden.«
    »Soweit ich weiß, ist es etwas mit Logik und Mathematik. In beiden bin ich nicht gut.«
    »Und das duldest du? Sinnst nicht auf Mittel? Brichst nicht auf zum Marsch gegen die Unmündigkeit, rüstest nicht zur Reise nach Jenan oder über die Kordilleren, heftest nicht dem Kampfgefährten, der vor dir in der Reihe schreitet, den nächsten Buchstaben, die nächste Zahl, das nächste Zeichen auf das Blusenleinen, das seinen feuchten Kämpferrücken überspannt … Was ist nun wieder?«
    »Nichts ist«, sagte ich. »Ich staune nur, Genosse Flair. Ich gestehe eine Unwissenheit, und einen Satz später ist meine Unmündigkeit daraus geworden. Eben meinst du, es könne für die Theorien des Genossen Niklas reichen, aber

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