Oksa Pollock. Die Entschwundenen
träge. »Außerdem ist dieses merkwürdige stachelige Geschöpf mir nicht gerade sympathisch.«
»SPUCK SCHON, LOS!«, herrschte Abakum ihn an.
Oksa warf dem alten Mann einen erstaunten Blick zu, während der Befehl sich einen Weg durch die Hirnwindungen des Kapiernix bahnte.
»Tretet zurück!«, rief der Feenmann den anderen zu.
»Ich spucke jetzt!«, gab das kleine Geschöpf bekannt.
Dann ließ es im hohen Bogen Tausende kleiner Spucketropfen auf die größte der ausgehungerten Leodechsen herabregnen. Als sie von den ersten Tropfen getroffen wurde, wand sie sich vor Schmerzen, und ihr Panzer fing wie unter dem Einfluss einer kraftvollen Säure zu brodeln an. Kurz darauf war ihr dicker Schutzpanzer durchlöchert, er wurde von dem ätzenden Speichel regelrecht zersetzt. Tiefe Öffnungen entstanden, aus denen ein bitterer Geruch nach außen drang – zusammen mit Fleischklumpen, Innereien und Muskelfetzen.
»Ich spucke noch einmal!«, verkündete der Kapiernix in seinem üblichen phlegmatischen Ton.
Diesmal regnete seine Spucke auf die Panzer der vier übrigen Leodechsen herab, die sich ohne jede Gegenwehr in ihr Schicksal ergaben und sich innerhalb kürzester Zeit auflösten. Als nur noch von der Säure blank polierte Skelette übrig waren, sahen sich die Rette-sich-wer-kann sprachlos an.
»Das ist ja unglaublich!«, rief Oksa und stemmte die Hände in die Hüften. »Warum hast du so lange gewartet, bevor du das gemacht hast?«, fragte sie den Kapiernix, unschlüssig, ob sie ihm dankbar um den Hals fallen oder ihn ausschimpfen sollte.
Der Kapiernix sah sie mit großen Augen an.
»Ich kann mich überhaupt nicht mehr erinnern, was ich gegessen habe, aber es scheint fast, als hätte ich Sodbrennen.«
»Meinst du?«, erwiderte Oksa lachend. »Jedenfalls musst du mir versprechen, mich niemals anzuspucken!«
»Euch anspucken? Warum sollte ich?«, fragte der Kapiernix.
»Unser kleiner Freund hat vielleicht eine lange Leitung, aber zum Glück ist er sehr folgsam«, erklärte Abakum und trat zu dem kleinen Geschöpf, um sich bei ihm zu bedanken. »Er spuckt nur auf Befehl!«
»Umso besser«, freute sich Oksa. »Puh, das wäre geschafft!«
Die Erleichterung war groß. Alle setzten sich auf den Boden, der langsam wieder trocknete. Pavel, nun wieder in menschlicher Gestalt, kniete sich neben Oksa.
»Wie geht es dir, meine Große?«
»Hast du diesen Wahnsinnskampf gesehen, Papa? Meine Knock-Bongs waren echt höllisch!«
»Ja, bestimmt geht er als einer der wahnsinnigsten Wahnsinnskämpfe in die Geschichte ein: die tapferen Rette-sich-wer-kann gegen die barbarischen Leodechsen! Das war wirklich sehenswert, besonders von oben!«
Oksa lachte froh und schaute dann zu Gus.
»Gut gemacht, Oksa!«
»Danke, dass du mir Mut gemacht hast.«
»Gern geschehen.«
Gus strich sich die lange schwarze Strähne aus dem Gesicht und zwinkerte ihr zu. Wie es aussah, hatte sie ihren verloren geglaubten Freund wieder, und darüber war sie richtig froh. Trotzdem konnte Oksa es nicht lassen, sich zu Tugdual umzudrehen. Er war wie ein Magnet, der sie unwiderstehlich anzog. Als sie seinem Blick begegnete, lief sie rot an. Sie verfluchte sich für diese unwillkürliche Reaktion, vor allem, weil Gus, der sie verstohlen beobachtete, sie als verletzend empfand. Prompt stand er auf, kickte einen Stein weg und kehrte der Gruppe den Rücken zu.
»Na dann«, sagte er barsch, »wir wollen hier doch nicht Wurzeln schlagen, oder? Lasst uns weitergehen.«
Mit diesen Worten setzte er sich in der unermesslichen, kargen Weite entschlossen in Bewegung, kleine Schlammklumpen spritzten hinter ihm hoch. Verblüfft sahen ihm die Rette-sich-wer-kann nach, bis er plötzlich aus ihrem Blickfeld verschwand, buchstäblich vom zerklüfteten Boden verschluckt.
Der bodenlose Spalt
G
us!«, schrie Oksa entsetzt.
Pierre brüllte los wie ein Bär, sprang mit einem Satz auf die Füße und rannte zu der Felsspalte, in der sein Sohn gerade verschwunden war. Weitere Spalten taten sich in dem aufgeweichten Boden auf und zwangen ihn, ständig hin und her zu springen. Die Rette-sich-wer-kann stürzten, so schnell sie konnten, hinter ihm her. Remineszens, deren Füße trotz Abakums Behandlung noch schmerzten, sprang ungeschickt über einen frisch entstandenen Riss und kam unglücklich auf. Wild mit den Armen rudernd, balancierte sie stöhnend am Rand eines bodenlosen Spalts. Im letzten Moment konnte Leomido sie um die Taille fassen und an sich ziehen.
»Gus? Bist
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