Oksa Pollock. Die Entschwundenen
ihrer Freundin eigentlich so irritierte. Als sie Gus am Nachmittag zwischen zwei Unterrichtsstunden darauf aufmerksam machte, sah er sich kurz um, ehe er antwortete.
»Zelda? Nein, mir ist nichts an ihr aufgefallen. Aber ich weiß ja nicht, ob du Hilda schon gesehen hast … Die hat sich vielleicht verändert!«
»Ganz deiner Meinung!«, stimmte ihm Merlin zu.
»Wovon sprecht ihr gerade?«, fragte Hilda, die mit einem ebenso schmeichlerischen wie unbeholfenen Lächeln neben sie getreten war.
»Ach, hallo Hilda!«, sagte Oksa verärgert. »Wir haben gerade vom nächsten Frauen-Catch-Turnier gesprochen, da kommst du genau richtig!«
Hilda zuckte zusammen und sah so betroffen aus, dass Oksa fast Gewissensbisse bekam. »Ich weiß nicht, warum du so unhöflich zu mir bist«, sagte sie dann in erstaunlich freundlichem Ton. »Es hat eben nicht jeder das Glück, eine Matroschka zu sein!«
»Was soll das denn heißen?«, fragte Oksa aufgebracht und funkelte sie wütend an.
»Das soll heißen, dass auch die, die keine hübschen Russenpüppchen sind, das Recht haben, mit den süßesten Jungs der Schule zu reden«, entgegnete Hilda mit provozierender Miene.
Sie zupfte ihre Jacke zurecht und ging langsam an Merlin und Gus vorbei, die in diesem Augenblick alles darum gegeben hätten, Lichtjahre entfernt zu sein. Verblüfft sah Oksa ihr hinterher.
»Veblüffend, oder?«, fragte Zelda, die plötzlich zu ihnen gestoßen war. »Bei manchen wirkt sich die Pubertät wirklich katastrophal aus!«
»Zelda!«, schimpfte Merlin. »So ist sie doch auf jeden Fall besser als vorher, oder?«
Zelda betrachtete zuerst Hilda, die sich in einer gewollt femininen Pose auf eine Bank gesetzt hatte und dann Merlin, dem die Schamesröte ins Gesicht gestiegen war.
»Lächerlicher, meinst du wohl!«, sagte sie dann und brach in Lachen aus. »Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass Hilda regelrecht mitleiderregend ist …«
Bei diesen Worten bückte sie sich, hob einen kleinen Stein auf und warf ihn zur Mitte des Hofs hin, direkt zum Springbrunnen. Der Kieselstein beschrieb einen perfekten Bogen, traf den Beckenrand, prallte wieder ab und landete auf Hildas Schuhspitze.
»Volltreffer!«, freute sich Zelda völlig ungeniert.
Oksas Blick traf den von Zoé. Sie sahen sich ungläubig an. Und für den Bruchteil einer Sekunde ging beiden dasselbe durch den Kopf.
»Denkst du auch, was ich denke?«, fragte Oksa leise.
Ein entsetzlicher Verdacht
K
urz darauf gingen alle zur nächsten Unterrichtsstunde in den Chemiesaal. Oksa und Gus hatten von ihren Plätzen aus einen ausgezeichneten Blick auf Zelda in der dritten Reihe und Hilda in der zweiten. Der Platz neben Merlin war wiederum von beiden Mädchen heiß umkämpft gewesen. Diesmal hatte Hilda ihren Willen bekommen, und sie gab ungeniert damit an.
»Monsieur Lemon!«, sagte Zelda plötzlich, »könnten Sie Hilda Richard bitten, ihre billigen kleinen Siege für sich zu behalten? Ihre Angeberei wird langsam peinlich!«
So viel Dreistigkeit verschlug allen die Sprache, einschließlich Oksa. Es sah der unbeholfenen und ängstlichen Zelda so gar nicht ähnlich! Dafür riefen der Wortschatz, die Ausdrucksweise und die eiskalte Überheblichkeit äußerst unangenehme Erinnerungen wach … Während Oksa noch darüber nachdachte, drehte Hilda sich um und feuerte eine Tintenpatrone auf ihre Rivalin ab.
»Aah!«, schrie Zelda laut und wich zurück, doch ihre Bluse war schon voller Tintenkleckse. »Die spinnt doch!«
Der Lehrer warf den Mädchen einen strengen Blick zu.
»Es war gar keine Absicht, Monsieur Lemon«, sagte Hilda in affektiertem Ton.
»Das soll wohl ein Witz sein!«, regte Zelda sich auf.
»Jetzt reicht’s, ihr beiden!«, griff der Lehrer ein. »Zelda Beck, du kannst ins Sekretariat gehen und fragen, ob sie dir eine saubere Bluse leihen können. Und du, Hilda Richard, meldest dich nach dem Unterricht bei mir.«
Zelda stand mit finsterer Miene auf und verließ das Klassenzimmer. Sofort ging Oksas Arm in die Luft: »Entschuldigen Sie bitte, Monsieur Lemon! Ich habe mein Heft im Schließfach vergessen, darf ich es holen?«
Mit einem Seufzer nickte der Lehrer, während Gus sie erstaunt ansah.
»Was ist mit dir los?«, fragte er mit einem Blick auf das Heft, das Oksa gerade unter dem Tisch versteckt hatte.
»Pst! Ich erkläre es dir später.«
»Na klar …«, murrte er.
Wieder einmal hatte er das Gefühl, nichts zu verstehen – was man von Zoé nicht behaupten konnte. Als
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