Oksa Pollock. Die Entschwundenen
filtern und überhaupt atmen zu können. Tugdual sah sich mit zusammengekniffenen Augen um. Ein Stück weiter entdeckte er einen großen Felsen.
»Kommt mit! Dort sind wir ein bisschen geschützt!«, rief er.
Die Spongax fest ins Gesicht gedrückt, folgten sie Tugdual zu dem provisorischen Unterstand.
»Wie hat er bloß diesen Felsen entdeckt?«, fragte Gus Oksa. »Ich kann in diesen Staubwolken rein gar nichts erkennen!«
Oksa versuchte, die schemenhafte Silhouette des schmalen Jungen vor ihr nicht aus den Augen zu verlieren, und sagte: »Du weißt doch, dass er die Gabe der Optisicht hat. Damit sieht er schärfer als jeder Falke!«
Trotz des Windes, der ihr um die Ohren pfiff, konnte sie Gus murren hören. Wann würde er sich endlich so akzeptieren, wie er war? Sie seufzte genervt, während sie gegen die heftigen Böen ankämpfte, die ihnen das Vorankommen erschwerten. Schließlich waren sie im Schutz des Felsens versammelt.
»Der Geruch ist wirklich widerwärtig«, bemerkte der Kapiernix und schnupperte. »Er kommt mir irgendwie bekannt vor …«
»Faule Eier!«, rief die Sensibylle, indem sie den Kopf aus Abakums Jacke streckte. »Igitt!«
Unter schrillem Protest ging sie sofort wieder auf Tauchstation.
Mit einem besorgten Blick auf Remineszens fragte Leomido den Feenmann: »Was meinst du, werden wir es schaffen?«
Abakum musterte die alte Dame, die sehr mitgenommen wirkte.
»Ich will dir mit einer Gegenfrage antworten, mein Freund: Bleibt uns etwas anderes übrig?«
Oksa sah verunsichert zu ihrem Vater, doch keiner von ihnen, und schon gar nicht er, schien in der Lage zu sein, die anderen zu ermutigen. Zum Glück bot der Felsen wenigstens Schutz vor den Milliarden kleiner Teilchen, schmierig wie Ruß, die fast waagerecht durch die Luft gefegt wurden. Allerdings konnte der kräftige Wind nicht verhindern, dass sich der grässliche Gestank in den winzigen Poren der Spongax festsetzte. Auch die Hitze machte ihnen allen zu schaffen. Selbst die Sensibylle mit ihrer Vorliebe für hochsommerliche Temperaturen schien darunter zu leiden.
»Wir verschmoren hier noch!«, rief sie hysterisch.
»Vielen Dank, Sensibylle!«, sagte Oksa. »Du verstehst es wirklich, uns aufzumuntern!«
»Pfft!«, entgegnete das kleine Huhn. »Ich sage nur, dass wir es ziemlich schlau anstellen müssen, wenn wir nicht geröstet werden wollen!« Sie schnaubte vernehmlich und verschwand wieder in Abakums Jacke.
»Zum Glück haben wir Wasser mitgenommen!«, sagte Gus. Wie auf Kommando wurden die Rette-sich-wer-kann bei seinen Worten leichenblass.
»Was denn? Wieso guckt ihr so?«, fragte Gus verdutzt nach.
Beim Stichwort »Wasser« hatten alle zu ihren Reticulatas geschaut, die eben noch randvoll mit dem erfrischenden Wasser des kleinen Paradieses gewesen waren. Doch jetzt waren sie so platt wie Pfannkuchen: Die durchsichtigen Quallen waren restlos leer, das kostbare Nass verschwunden. Sie hatten keinen Tropfen Wasser mehr – und das in dieser Gluthitze.
»Aber … wo ist das Wasser hin?«, stammelte Oksa.
»Ein Fluch!«, rief die Sensibylle voller Panik.
»Nun ja, wenigstens bleiben uns noch die Früchte«, sagte Gus.
Er steckte die Hand in seine Tasche und zog sie gleich danach voller Entsetzen wieder heraus: Fingerdicke Würmer ringelten sich darauf. Ihre Leiber waren prall gefüllt mit dem Saft der Früchte, an denen sie sich gelabt hatten. Gus schrie auf und schüttelte wie wild den Arm. Kaum berührten die widerlichen Würmer den Boden, zerfielen sie zu Staub. Alle anderen steckten ebenfalls sofort die Hand in ihre Taschen, um vielleicht noch eine Aprikose oder eine Banane zu retten. Doch zu spät, das Obst hatte sich bereits zersetzt.
»Oh, solange wir Wasser haben, ist alles in Ordnung!«, rief der Kapiernix matt. »Wasser ist Leben, heißt es doch, oder nicht?«
»Aber wir haben doch kein Wasser mehr, du hirnloser Trottel!«, schrie die Sensibylle aus der Jackentasche heraus.
»Ach so?«, wunderte sich das phlegmatische Geschöpf. »Dann werden wir also sterben«, fügte es in einem Ton hinzu, als müsste es auf Süßigkeiten verzichten.
»Danke für den freundlichen Hinweis!«, murmelte Oksa, die mit den Tränen kämpfte.
Sie presste sich ihr Spongax mit aller Kraft vors Gesicht, um die Angst zu verbergen, die sie zu überwältigen drohte. Sie sah sich um: Remineszens sah aus, als würde sie jeden Moment in Ohnmacht fallen. Leomido, der sie stützte, wirkte, als wäre er innerhalb von Sekunden um Jahre
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