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Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Titel: Oksa Pollock. Die Entschwundenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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mir sehr fehlt, gefangen gehalten werden. Ich trainiere jeden Tag, um meine Fähigkeiten zu vervollkommnen: Ich kann durch Mauern hindurchgehen, möchte den Geschwindigkeitsrekord im Hundertmeterlauf brechen und übe, in meinem Zimmer zu levitieren.« Sie brannte darauf, allen ins Gesicht zu schreien, was sie in Wirklichkeit erlebte. Ihre Wahrheit. Aber ob dieser Schrei ihr Erleichterung verschaffen würde? Bestimmt nicht, und das war ihr klar. Also unterdrückte sie diese unvernünftige Anwandlung.
    »Ich heiße Zoé Evanvleck«, antwortete sie stattdessen. »Ich mag Geschichte, Fabelwesen und Fantasyromane. Ich habe den Sommer bei meiner Großtante verbracht und die Tiere ihres besten Freunds versorgt, der verreist war.«
    »Schön, Zoé, vielen Dank!«, sagte Madame Crèvecœur mit einem Lächeln. Dann wandte sie sich einem anderen Schüler zu.
    Als es zur Pause läutete, sprang Zoé auf und flitzte zu den Toiletten. Sie schloss sich in einer Kabine ein und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür. Sie war völlig erledigt, hätte aber nicht sagen können, warum. Sie holte tief Luft und rieb sich mit den Händen übers Gesicht, als wollte sie ihre Erschöpfung wegwischen. Als sie wieder auf den Gang trat, wartete Merlin zusammen mit Zelda auf sie. Der Junge hatte sich sehr verändert, er war kein pausbäckiges blondes Kind mehr. Innerhalb weniger Wochen war er größer und kräftiger geworden, ein junger Mann. Seine herrlichen blonden Engelslocken waren nun eine üppige Mähne, die ihn »interessanter« denn je aussehen ließ.
    »Alles in Ordnung, Zoé?«, fragte er und sah sie forschend an.
    »Ja, es geht schon wieder. Der erste Schultag nach den Ferien macht mich immer ein bisschen nervös, man weiß nie, was alles auf einen zukommt.«
    »Ach, dieses Jahr sieht es eigentlich ganz gut für uns aus, oder?«, sagte Zelda munter. »Kein McGraw mehr, der uns in Angst und Schrecken versetzt, was wollen wir mehr?«
    Merlin stieß sie kräftig mit dem Ellbogen in die Seite und warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. Zelda biss sich auf die Lippe, als ihr aufging, wie unsensibel ihre Bemerkung gewesen war.
    »Entschuldige, Zoé«, sagte sie. »Ich bin wirklich ein schreckliches Trampeltier.«
    »Es ist schon okay«, antwortete Zoé traurig. »Kommt, wir schauen mal, ob wir einen Platz beim Springbrunnen ergattern können.«
    »Kann ich mit euch kommen?«, erklang eine Stimme hinter ihnen.
    »Äh …«, stammelte Merlin, als er sich umdrehte.
    Erneut stand Hilda Richard vor ihm und musterte ihn erstaunlich freundlich. Wieder wurde er rot, und Zelda und Zoé mussten sich das Lachen verkneifen.
    »Wow, was für ein durchschlagender Erfolg!«, flüsterte Zelda Merlin zu. Dann fragte sie das stämmige Mädchen: »Und? Was ist aus deinem ständigen Begleicher geworden? Hast du ihn vertrieben?«
    »Meinst du Axel Nolan?«, fragte Hilda zurück. »Ach, weißt du, ich habe mich seit dem letzten Schuljahr weiterentwickelt – und das nicht nur rein körperlich!«
    »Es ist uns nicht entgangen«, sagte Zelda spöttisch. »Das Boxen und das Rugby hast du wohl aufgegeben?«
    »Ich weiß, wie du über mich denkst«, erwiderte Hilda. »Ich weiß, wie ihr alle über mich denkt. Aber das ist mir ganz egal! Ich bin einfach kein verhätscheltes Püppchen, das seine Zeit mit Ballett und Kuscheltieren verbringt, und ich werde auch niemals so sein. Und dazu stehe ich!«
    Die drei Freunde sahen sich an, überrascht von ihrer Reaktion, dann zuckte Merlin die Schultern und fing an, von den Sommerferien zu erzählen. Und Hilda setzte alles daran, bei diesem Gespräch sympathisch zu wirken. Zelda und Zoé hielten sich die ganze Pause über misstrauisch zurück, während der wohlerzogene, höfliche Merlin sich auf eine Unterhaltung einließ, die gar nicht mal so unangenehm war …

Der Schoß der Ödnis
    O
ksa fiel in einen dunklen, heißen Schacht, ihr wurde ungeheuer schwindlig. Einen Augenblick später fand sie sich neben ihrem Vater und den anderen Rette-sich-wer-kann in der von Winden gepeitschten Welt wieder, einer grauenerregenden Welt, auf die sie schon einen Blick geworfen hatte, als sie den Kopf durch den Wasserfall des Kleinen Paradieses steckte. Allein der Anblick war schon wenig verlockend gewesen, doch nun kamen die sengende Hitze und ein erbärmlicher Gestank hinzu. Zum Schutz hielt sie sich die Hand vor die Nase. Abakum verteilte die Spongax, und alle pressten sich die Pflanzen ins Gesicht, um den feinen Staub aus der Luft zu

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