Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)
Nichtskönner!«
»Oksa! Das geht jetzt aber zu weit. Was ist denn bloß mit dir los?«, sagte Pavel und sprach damit laut aus, was die anderen nur durch ihr missbilligendes Raunen zum Ausdruck brachten.
»Das muss sich echt ändern, Gus«, zischte Oksa zwischen den Zähnen hindurch.
»Da hast du vollkommen recht«, gab er zurück und sah sie trotzig an.
Wider Erwarten senkte Oksa als Erste den Blick.
Je zurückhaltender sich die Behörden zum Stand der Ermittlungen äußerten, umso wilder wurde im Internet über die Ereignisse spekuliert. In Windeseile verbreitete sich ein Gerücht und entwickelte sich zu einem modernen Mythos: dass es einen neuen Menschen gebe, eine Art Mutant, hervorgegangen aus einer streng geheimen Technologie in Verbindung mit militärischen Experimenten. Wären die Zeiten nicht so düster gewesen, die Rette-sich-wer-kann wären sicherlich in schallendes Gelächter ausgebrochen.
Während sich das Gerücht immer weiter verbreitete und zu einer Massenhysterie führte, kamen die Agenten von Interpol, Scotland Yard, der CIA und anderen Geheimdiensten zu dem Ergebnis, dass hinter all diesen Geschichten eine einzige Person steckte.
Das war den Rette-sich-wer-kann schon lange klar. Besser noch, sie kannten die Beweggründe und Absichten dieser Person bis ins Detail.
Neben der Recherche aller Fakten, die mit den Ausbrüchen zusammenhingen, war Mortimer auf die ausgezeichnete Idee gekommen, sich auch mit den Vermisstenanzeigen zu befassen. Dabei richtete er seine Suche vor allen Dingen auf Leute, deren Profil Ähnlichkeit mit dem eines der entflohenen Häftlinge aufwies.
»So können wir vielleicht eine präzisere Namensliste erstellen und die Armee meines … meines Vaters näher identifizieren.«
Das war natürlich eine Heidenarbeit, und zudem führte sie innerhalb der kleinen Gruppe zu ziemlichen Spannungen. Während Oksa, Zoé und Mortimer keinerlei Schwierigkeiten hatten, zwischen verschiedenen Sprachen zu wechseln und von einer Vermisstenanzeige zur nächsten zu springen, verfügten weder Gus noch Kukka über das Polyslingua. Also mussten sie gezwungenermaßen zusammenarbeiten.
Das gefiel der Jungen Huldvollen ganz und gar nicht. Sie bekam Mordgelüste, wenn sie sah, wie Kukka um Gus herumscharwenzelte, seine Aufmerksamkeit einforderte, ihr schönes langes Haar zurückwarf … Alles an diesem verflucht hübschen Mädchen regte sie auf.
»Hast du bei den Briten etwas Interessantes herausgefunden, Gus?«, fragte sie mit einer Schärfe, über die sie selbst erschrak.
Gus ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und betrachtete das Blatt Papier mit seinen Notizen.
»Ja! Weißt du was? Niall Monroe wurde vor drei Tagen von seiner Familie als vermisst gemeldet.«
Oksa warf ihm einen vernichtenden Blick zu – was allerdings nur daran lag, dass Kukkas Kinn an seiner Schulter lag.
»Und wer ist dieser Niall Monroe, bitte schön?«, fragte sie genervt.
»Du kennst Niall Monroe nicht? Denk doch mal nach!«
»Nein, ich kenne ihn nicht, tut mir leid!«, antwortete Oksa eingeschnappt. »Deswegen bitte ich dich, mich in deiner unendlichen Weisheit aufzuklären.«
Zoé sah von Gus zu Oksa. »Der Name sagt mir was. Aber was?«
»Niall Monroe ist einer der jüngsten Hacker der Welt«, erklärte Gus. »An seinem dreizehnten Geburtstag ist es ihm gelungen, ins Datennetz des FBI einzudringen.«
»Stimmt, Mensch!«, erinnerte sich Oksa, die nun wieder ganz auf die Arbeit konzentriert war. »Jetzt fällt es mir wieder ein! Er hat es auch geschafft, sich in die Kundendaten der größten Schweizer Banken einzuloggen.«
»Genau! Angeblich haben sogar schon mehrere Regierungsorganisationen bei ihm angefragt, ob er für sie arbeiten möchte. Doch seine Eltern haben abgelehnt, weil sie ihn mit seinen sechzehn Jahren noch zu jung dafür fanden.«
»Und jetzt ist er verschwunden.«
Die fabelhaften Fünf schwiegen einen Augenblick nachdenklich.
»Alles in Ordnung, Mortimer?«, fragte Oksa.
Es schien, als habe ihn diese Neuigkeit erschüttert.
»Ihr habt wohl alle vergessen, dass Niall Monroe an der St.-Proximus-Schule war, oder? Sogar in meiner Klasse.«
»Wirklich?«, rief Oksa. »Das ist ja unglaublich!«
»Wusste dein Vater das?«, fragte Zoé.
»Natürlich, er war doch Lehrer dort, und außerdem wusste er auch sonst immer alles«, sagte Mortimer bitter. »Ich nehme an, dass sich das nicht geändert hat, im Gegenteil.«
Er vertiefte sich in die Notizen, die vor ihm lagen. Zoé warf ihm einen
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