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Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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gesichtet.«
    Er zeigte die gut zehn Einträge, welche die fabelhaften Fünf im Internet gefunden hatten und die von fliegenden Menschen mit übernatürlichen Kräften handelten. Von offizieller Stelle war zwar absolut nichts zu dem Thema verlautbart worden, doch niemand am Bigtoe Square zweifelte am Wahrheitsgehalt der Berichte.
    »Lohnt es sich denn überhaupt noch, so viele Vorkehrungen zu treffen, bloß damit niemand was von unserer … Andersartigkeit mitbekommt?«, fragte Oksa. »Also ehrlich, wenn man sieht, was Orthon da ganz ungeniert treibt, dann brauchen wir uns doch auch nicht mehr so viel Mühe zu geben.«
    Ihr Vater sah sie fassungslos an.
    »Und ob es sich lohnt!«, rief er aus. »Heute noch mehr als früher!«
    »Und warum?«, fragte Oksa rundheraus.
    »Früher hätte man uns als interessante Versuchskaninchen betrachtet«, erwiderte Pavel. »Heute würde man uns die Schuld für alles Elend der Welt in die Schuhe schieben.«
    »Aber wieso denn?«
    »Weil die Menschen trotz aller wissenschaftlichen Erklärungen für Katastrophen immer einen Sündenbock brauchen. Sie selbst wollen nämlich nicht dafür verantwortlich sein.«
    Oksa dachte über seine Worte nach.
    »Das ist ein sehr kluger Gedanke, mein alter Herr Papa!«, sagte sie schließlich.
    Pavel lächelte.
    »Also, wie denkst du nun über meinen Vorschlag, Oksa?«, fragte Abakum. »Sollen wir umziehen?«
    »Das soll
ich
entscheiden?«
    »Du bist unsere Huldvolle, hier wie in Edefia«, erwiderte Abakum ruhig.
    Die Aussicht, in Abakums unglaublichem Haus zu wohnen, erschien Oksa äußerst verlockend. Sie war zwar nicht oft dort gewesen, doch die Erinnerungen an ihre Aufenthalte in dem zu einem bequemen Wohnhaus umgebauten Bauernhof waren unvergesslich: um die zehn Zimmer, jedes mit eigenem Bad, ein ehemaliges Silo, das zu einem Gewächshaus umfunktioniert war. Die ländliche Umgebung, keine unmittelbaren Nachbarn, die neugierig werden und einem womöglich die letzten Habseligkeiten rauben würden. Die gute Luft fernab der Elektrizitätswerke, die, um ihre Stromausfälle zu kompensieren, in London die Luft verpesteten und die halbe Bevölkerung vergifteten … Mit anderen Worten: das Paradies!
    »Können wir gleich dorthin?«, fragte Oksa mit leuchtenden Augen.
    »Wir brauchen nur unsere Koffer zu packen«, erwiderte Pavel. Die Erleichterung war ihm anzusehen.
    Oksa sprang auf.
    »Na dann, je früher, desto besser!«

Ein Gipfeltreffen
    Nicht weit von 1600 Pennsylvania Avenue
NW
,
Washington
D.C.
,
USA
    D er Busfahrer bog auf den verschneiten Parkplatz ein und manövrierte sein Fahrzeug in dem dichten Schneetreiben vorsichtig in eine Parkbucht.
    »Ziehen Sie sich warm an, wenn Sie nicht als Eiszapfen enden wollen!«, gab der Fahrer seinen Passagieren als Ratschlag mit auf den Weg, nachdem der Bus zum Stehen gekommen war.
    Die Touristen stiegen der Reihe nach aus und kniffen die Augen zusammen, um in den wirbelnden Schneeflocken nach dem berühmten Gebäude Ausschau zu halten, für das sie die weite Reise auf sich genommen hatten. Nach einigen Minuten Fußmarsch durch den pappigen Schnee sahen sie es schließlich inmitten des weiß gezuckerten Gartens auftauchen – in blütenweißer Pracht. Begeisterte Ausrufe drangen unter den Kapuzen und Regenschirmen hervor.
    Nachdem die zwanzig Mitglieder der Reisegruppe eine endlose Reihe von Formalitäten hinter sich gebracht und sich den unvermeidlichen Sicherheitskontrollen unterzogen hatten, hielt jedes von ihnen seinen eigenen Sesam-öffne-dich in der Hand: eine Eintrittskarte, die ihnen das Tor zum Weißen Haus öffnete.
    »Ich kann kaum glauben, dass wir es besichtigen dürfen!«, rief ein junger Mann aufgeregt. Dass seine Zweifel nicht unbegründet waren, sollte er schneller herausfinden, als ihm lieb war: Aus dem dichten Schneetreiben löste sich eine Gestalt, packte ihn und schleifte ihn rückwärts mit sich. Alles ging so schnell vonstatten, dass niemand es bemerkte. Der junge Mann fand sich gefesselt, geknebelt und seiner Papiere beraubt am Boden eines Lieferwagens wieder, wo ihm binnen weniger Augenblicke noch weitere vier Touristen aus seiner Gruppe Gesellschaft leisteten.
    Sekunden später stiegen fünf Personen aus dem Lieferwagen. Sie zogen sich ihre Kapuzen in die Stirn und schlossen mit einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen eilig zu der Reisegruppe auf, die in dem immer heftiger werdenden Schneetreiben fast zu verschwinden drohte.
    »Bleiben Sie bitte alle beisammen!«, mahnte der

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