Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)
Reiseleiter, während er seine Schäfchen zählte. »Trennen Sie sich nicht von der Gruppe.«
Sich von der Gruppe zu trennen entsprach allerdings genau der Strategie der Eindringlinge. Nachdem sie die letzten Kontrollen passiert hatten und die ellenlangen historischen Erklärungen über sich hatten ergehen lassen, verständigten sich die fünf mit Blicken und steuerten dann so unauffällig wie möglich auf den Westflügel zu, wo die Wohnräume des Präsidenten lagen.
Orthon war diese Flure schon vor vielen Jahren entlanggegangen, als er noch für die CIA gearbeitet hatte. Dank seines fotografischen Gedächtnisses und seines exzellenten Orientierungssinns fand er sich jetzt problemlos zurecht.
Seine Söhne standen ihm in nichts nach: Beide kannten den Grundriss des Weißen Hauses in- und auswendig, sie hätten selbst mit geschlossenen Augen überallhin gefunden. Und der Söldner Markus Olsen und seine schöne Komplizin Helga Korjus – eine richtige Lara Croft, ganz in Weiß gekleidet – waren dank ihrer Erfahrung verlässliche Begleiter. Zumindest stellten sie sich selbst gerne so dar.
»Personenschutz, Tarnung, Infiltration, Spionage … Wir sind Söldner für alle Belange!«, hatte Markus Olsen bei der Ausarbeitung des Plans gescherzt.
Orthon hatte gelächelt. Doch sein kalter Blick machte unmissverständlich klar, dass seine Komplizen besser auch hielten, was sie versprachen, denn in seinen akribisch ausgearbeiteten Vorhaben wurde kein Sandkörnchen im Getriebe geduldet.
Im Augenblick lief jedenfalls alles nach Plan, wie ihm von seiner Kontaktperson über einen Sender im Ohr bestätigt wurde. Gregor und Markus warfen ihm einen fragenden Blick zu.
»Wir haben den ganzen technischen Schnickschnack unter Kontrolle«, sagte Orthon und zeigte auf die zahlreichen auf sie gerichteten Kameras. »Ist diese moderne Spitzentechnologie nicht wunderbar? Ein Hoch auf unsere Hacker, dass sie uns die Sache so leicht machen!«
Er wurde durch das plötzliche Auftauchen von zwei Wachmännern unterbrochen. Die Technik ließ sich zwar aus der Ferne manipulieren, aber mit den Menschen war das etwas anderes, zumal wenn es sich um zwei so kampferprobte Männer wie diese beiden vom Sicherheitspersonal des Weißen Hauses handelte.
»Halt!«, rief einer der beiden mit gezogener Waffe. »Der Zutritt zu diesem Bereich ist streng verboten …«
Zur Überraschung der anderen war es Tugdual, der am schnellsten sein Granuk-Spuck gezogen hatte. Die zwei Sicherheitsleute brachen mit aufgerissenen Augen zusammen.
»Bravo, mein Junge!«, rief Orthon. »Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.«
Wortlos steckte Tugdual sein Granuk-Spuck weg. In seinem ausdruckslosen Blick war weder Zustimmung noch Ablehnung zu lesen. Er beugte sich über einen der Männer, fasste ihn unter den Achseln und schleifte ihn in einen Betriebsraum, den er auf die denkbar einfachste Weise öffnete: indem er mit dem Zeigefinger dicht vor dem Schloss einen Kreis beschrieb – der Universalschlüssel schlechthin! Gregor machte es ihm mit vor Konzentration verkniffener Miene im Stillen nach.
»Los, weiter«, flüsterte Orthon.
Der Trupp ging eine Reihe von Korridoren entlang und machte mit jedem, der ihren Weg kreuzte, kurzen Prozess. Schließlich standen sie vor einer Tür, die sich in nichts von den anderen unterschied.
»Da wären wir!«, verkündete Orthon, nachdem er die letzten menschlichen Hindernisse aus dem Weg geräumt hatte.
Er schaute nacheinander seine Söhne und die beiden Söldner an, und alle vier nickten. Also legte Orthon die Hand auf den Türknauf und drehte ihn herum.
»Was haben Sie hier zu …«
Die Kombination aus Knebel- und Arboreszens-Granuks ließ keine Gegenwehr zu: Dem Mann hinterm Schreibtisch blieb weder Zeit, seine Frage zu vollenden, noch, den Alarmknopf zu drücken.
»Mister President«, grüßte ihn Orthon mit ironischer Ehrerbietung.
Währenddessen verteilten sich Gregor, Tugdual, Markus und die Zwillingsschwester von Lara Croft im Raum, um die vier Ausgänge des Oval Office zu sichern, einschließlich der beiden Geheimtüren in der Wand. Der Präsident verfolgte ihr Tun, bevor er wieder Orthon ansah. Dieser rollte ganz gelassen sein Granuk-Spuck zwischen den Fingern.
»Entschuldigen Sie die Sicherheitsvorkehrungen«, sagte der Treubrüchige, während er sich dem Präsidenten gegenüber in einem Sessel niederließ. »Aber Sie werden gleich verstehen, dass unsere Unterhaltung ein gewisses Maß an Privatsphäre
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