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Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Titel: Oksa Pollock. Die Unverhoffte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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verdeckt.
    Kaum hatte sich jedoch McGraw wieder in seine Notizen vertieft, legte sie erneut los, und zwar noch kühner. Diesmal stützte das Skelett die Hände in die Hüften, ging in die Hocke und hob mal das eine, mal das andere Bein wie beim Kosakentanz.
    Gus stieß Oksa unsanft mit dem Ellbogen an, während die eine Hälfte der Klasse losprustete und die andere in Erwartung eines Wutausbruchs ihres gefürchteten Lehrers den Atem anhielt.
    »Nur für den Fall, dass ihr es vergessen haben solltet: Ihr schreibt gerade einen Test«, donnerte McGraw prompt. »Was gluckst ihr da wie ein paar aufgescheuchte Hühner? Du da zum Beispiel, was gibt es denn so Amüsantes?«
    Das Mädchen, das er angesprochen hatte, musste sich zusammenreißen, um mit dem Lachen aufzuhören. »Das Skelett, Mr McGraw …«
    »Verehrtes Fräulein«, sagte McGraw mit einem verächtlichen Seufzer, »diese Antwort stellt in keinster Weise einen intelligenten Satz dar, geschweige denn eine klare Antwort auf meine Frage. Was ist mit dem Skelett?«
    »Es tanzt, Mr McGraw.«
    »Na und?«, brüllte McGraw und knallte sein Buch so heftig auf die Tischplatte, dass die ganze Klasse vor Schreck zusammenfuhr. »Da erlaubt sich ein Schüler oder eine Schülerin einen kindischen Unfug mit einem Skelett, und nicht einer von euch ist in der Lage, sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren! Glaubt ihr vielleicht, ihr seid im Ferienlager? Wenn ich mir euer Niveau so ansehe, würde ich eher auf den Kindergarten tippen!«
    Er maß die ganze Klasse mit einem abgrundtief finsteren Blick, der über Oksa hinwegglitt, als wäre sie gar nicht da. Diese vorgeschützte Gleichgültigkeit verriet ihr, dass McGraw sehr wohl wusste, wer ihm den Streich gespielt hatte. Und der stille Triumph, den sie darüber empfand, war einfach wunderbar.
    Der Physikunterricht um elf verlief nach genau demselben Muster: ein Test. Das Stöhnen wurde noch gequälter, die Klagen noch lauter, bis McGraw explodierte.
    »Ich bin euer Lehrer, und ich bestimme, wie ich meinen Unterricht halte! Wenn ihr nicht einmal zwei Tests hintereinander bewältigen könnt, dann sehe ich schwarz für eure weitere Schulkarriere! Ich habe wahrhaft Wichtigeres zu tun, als mir eure Unmutsbekundungen anzuhören. Der Nächste, der sich beklagt, muss drei Stunden nachsitzen, und das meine ich ernst. Und was dich angeht, Gustave, ich habe keineswegs vergessen, wie du beim letzten Mal deinen Vorteil daraus gezogen hast, neben dem brillanten Fräulein Pollock zu sitzen. Also setz dich bitte allein in die hinterste Bank.«
    Stocksteif und mit knallrotem Kopf erhob sich Gus und ging, mühsam seine Wut im Zaum haltend, zu einem leeren Tisch in der hintersten Reihe.
    Oksa schaute auf und fixierte McGraw, doch der wich ihrem Blick nach wie vor aus. Stattdessen rächte er sich lieber an Gus. Das war kein gutes Zeichen! Oksa wollte natürlich nicht, dass ihr Freund an ihrer Stelle bestraft wurde. Sie drehte sich zu ihm um, zwinkerte ihm aufmunternd zu und vertiefte sich wieder in ihre Arbeit.
    Doch schon bald meldete sich ihr Ringelpupo: Es pulsierte an ihrem Handgelenk. Komisch, ich bin doch ganz ruhig! Was hat es nur?, wunderte sich Oksa. Sie schob verstohlen ihren Ärmel hoch und sah, dass das Ringelpupo ein ganz komisches Gesicht machte: Die winzige Zunge hing ihm seitlich aus dem Mundwinkel und seine Augen sahen furchtbar glasig aus. Sie streichelte es, doch das schien nicht zu helfen. Stattdessen ertönten auf einmal ziemlich deutliche und höchst peinliche Geräusche. Pupsgeräusche, ganz eindeutig …
    Mehrere Schüler wechselten belustigte Blicke, ein paar wagten sogar zu kichern. Auch McGraw hob den Kopf, um zu sehen, woher das Geknatter kam, und blickte missbilligend in die Runde.
    Ach, du lieber Himmel, das darf doch nicht wahr sein! Ich habe vergessen, ihm sein Körnchen zu geben!, fiel es Oksa auf einmal siedend heiß ein. Was bin ich nur für eine Niete! Nun ist mir klar, was Abakum meinte, als er sagte, es würde seine Unzufriedenheit ziemlich unmissverständlich klar machen. Jetzt muss ich das bis zur Mittagspause aushalten!
    Sie versuchte, die Echos aus den Eingeweiden des Ringelpupos zu ersticken, indem sie sich mit dem Oberkörper auf ihren Arm legte. Pupo  – ja, das konnte man wohl sagen!
    Als es zur Pause klingelte, dauerte es nur wenige Sekunden, bis die Schüler ihre Blätter abgegeben und ihre Sachen eingesammelt hatten. Alle wollten so schnell wie möglich raus und verließen das Klassenzimmer, ohne ein

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