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Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Titel: Oksa Pollock. Die Unverhoffte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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englischen Hauptstadt.
    Oksa hatte im letzten Sommer zusammen mit ihrer Familie ein paar Tage hier verbracht und die Atmosphäre des ehemaligen Bauernhofs sehr genossen. An der Backsteinmauer des Hauses mit ihren verschiedenen Rottönen, vom tiefsten Dunkelrot über Rotbraun bis hin zu zartem Altrosa, rankten sich Glyzinien und Kletterrosen bis ins erste Stockwerk hinauf. Ein ehemaliges Silo, das Abakum von Grund auf umgebaut hatte, war über einen geschlossenen Durchgang mit dem Haus verbunden. Oksa hatte das Silo noch nie betreten. Aber vielleicht würde Abakum es ihr diesmal zeigen?
    »Oh, Abakum, es wird von Mal zu Mal schöner hier!«
    Oksa ruhte sich in einem muschelförmigen Sessel aus, während Abakum einen kleinen Begrüßungsimbiss zubereitete. Der Kontrast zwischen dem Inneren des Hauses und seiner Fassade hätte krasser nicht sein können: Man erwartete eine rustikale Einrichtung, doch Abakum hatte sich für einen ganz anderen Stil entschieden.
    »Das ist ja wie in einem Museum für moderne Kunst«, hatte Oksa bei ihrem ersten Besuch gestaunt – und auch jetzt kommentierte sie wieder begeistert das außergewöhnliche Innenleben des Hauses.
    Abakum stellte auf einem kleinen Couchtisch mit gestreiften Beinen ein Tablett ab, goss zwei Tassen heiße Schokolade ein und setzte sich Oksa gegenüber.
    »Du weißt es wahrscheinlich nicht, Oksa, aber meine Adoptiveltern waren das, was man heutzutage als Designer bezeichnet. Mein Vater und seine Eltern entwarfen Möbel und meine Mutter war die beste Innenarchitektin Edefias. Sie hat Maloranes Wohnräume in der Gläsernen Säule eingerichtet. Dieses Haus hier habe ich in etwa so gestaltet, wie eine typische Wohnung der Silvabulaner aussieht. Das Haus meiner Kindheit in Edefia ähnelt diesem sehr, wenn man mal davon absieht, dass es sich auf einem riesigen Baum befand, einem Kolosso, dreißig oder vierzig Meter über dem Boden. In meiner Familie wurde immer viel Wert auf Ästhetik gelegt, vor allem bei den Dingen des täglichen Gebrauchs, und es freut mich sehr, dass du einen Sinn dafür hast.«
    Oksa lauschte ihm aufmerksam. Nichts mochte sie lieber, als von einem Erwachsenen so ernst genommen zu werden.
    »Es muss wunderschön gewesen sein in Edefia«, sagte sie leise und mit verträumtem Blick. »Aber entschuldige, Abakum, du hast von deinen Adoptiveltern gesprochen. Dann bist du also adoptiert worden, so wie Gus?«
    »Genau. Und wie Gus hatte auch ich das große Glück, von wunderbaren Menschen aufgenommen zu werden. Sie hatten wirklich ein Herz aus Gold.«
    »Wie alt warst du da?«, fragte Oksa, ermutigt von dem seligen Lächeln des alten Mannes.
    »Ein paar Stunden …«
    »Noch ein ganz winziges Baby!«
    Ein Anflug von Traurigkeit huschte über Abakums Gesicht. Er schloss kurz die Augen und fuhr fort: »Meine liebe Oksa, ich werde dir ein Geheimnis anvertrauen, das nur ganz wenige Menschen kennen.«
    »Ein Elternteil von dir war ein Hase, stimmt’s?«, platzte Oksa, spontan wie immer, heraus.
    Da brach Abakum in ein so schallendes Gelächter aus, dass Oksa vor Schreck beinah ihre heiße Schokolade verschüttet hätte.
    »Ich wusste ja, dass dir … wie drücke ich das am besten aus? … dass dir der animalische Anteil in mir nicht entgangen ist«, erwiderte Abakum, während er sich die Tränen aus den Augen wischte. »Aber so was! Nein, auf den Gedanken ist noch niemand gekommen! Nein, Oksa, meine Eltern waren keine Hasen. Aber was sie in Wirklichkeit waren, ist kein bisschen weniger sagenhaft.«
    »Oh, erzähl, Abakum!«, bettelte Oksa. »Bitte, bitte.«
    »Mein Vater war ein Bienenzüchter der Silvabulaner und hieß Tiburz. Ich weiß nicht viel über ihn, außer dass er ein schlichter, naturverbundener Mann war, der die Einsamkeit liebte. Eines Tages erblickte ihn eine Alterslose Fee auf der blumenübersäten Lichtung, wo seine Bienenstöcke standen. Und sie verliebte sich auf der Stelle in ihn. So etwas kommt höchst selten vor, vielleicht war es sogar das einzige Mal überhaupt in der Geschichte Edefias. Diese Alterslose Fee, meine Mutter, offenbarte sich meinem Vater aus Liebe. Die beiden entbrannten leidenschaftlich füreinander. Und obgleich ihre Gefühle vollkommen rein waren, bedeutete diese Vereinigung ihr Ende: Ein Mensch und eine Alterslose können nicht zusammenkommen. Geschweige denn sich lieben.«
    »Was ist passiert?«, fragte Oksa atemlos. Ihre großen grauen Augen hingen gebannt an Abakums Lippen.
    »Sie wurden in dem Moment

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