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Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Titel: Oksa Pollock. Die Unverhoffte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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perlmuttfarbene Muschel neben mir. Eine klare, sanfte Stimme rief mich beim Namen und lud mich ein, aus der Muschel zu trinken. Und so habe ich das fantastische Wasser der Singenden Quelle gekostet. Es schmeckte wie eine leicht sprudelnde Limonade, die durchsichtigen Bläschen zerplatzten köstlich in meinem Mund. Als ob Sterne in meinem Inneren explodierten. Und mit dem ersten Schluck kehrte ich zum Tag meiner Zeugung zurück, der zugleich der Tag meiner Geburt war. Und da erfuhr ich endlich, wer ich war.«
    Oksa war hingerissen von Abakums Erzählung.
    »In einem einzigen Augenblick klärte sich alles«, fuhr der Feenmann fort. »Es war so einfach, wenn man es einmal wusste. Obwohl ich sehr liebevoll aufgezogen worden war, war die Ungewissheit immer eine Qual für mich gewesen. Man hatte mir die Umstände meiner Herkunft nie verheimlicht, aber meine tatsächliche Geschichte und Identität waren nun einmal ein Rätsel – für alle anderen und erst recht für mich selbst.
    Dort, in dieser wunderbaren Grotte, sprang ich zwölf Jahre in der Zeit zurück und sah meine Mutter, die Alterslose Fee, und meinen Vater, Tiburz, den Bienenzüchter. Kaum hatte ich meinen Neugeborenenblick auf sie gerichtet, nahm mich mein Vater in den Arm und meine Mutter beugte sich über mich. Braunes Haar umrahmte ihr strahlendes Gesicht. Sie war außergewöhnlich schön, sie strahlte von innen heraus, als wäre sie ganz und gar mit Licht erfüllt. Sanft drückte sie ihre Lippen auf meine und hauchte mir mit unendlicher Zärtlichkeit ihr Leben und die ganze Essenz ihres Wesens ein. Dann zerstoben meine Eltern in einer Explosion glitzernder Funken. Es war so schön, dass sich jegliches Gefühl von Schmerz in mir auflöste. Endlich hatte ich meinen Frieden gefunden, weil ich nun Bescheid wusste.
    Bevor ich diesen wahrlich feenhaften Ort verließ, sprach mich erneut jene sanfte Stimme an und führte mich zu einem Wasserfall. Sie forderte mich auf, die Hand hinter den Vorhang aus Wasser zu halten und den Gegenstand zu ergreifen, der sich dort befand. Ich gehorchte natürlich artig, wie du dir vorstellen kannst, und als ich die Hand wieder aus dem Wasser zog, lag darin ein Zauberstab. Die Stimme sagte mir, dass es sich um den Zauberstab meiner Mutter handle, der ›Alterslosen Fee, die aus Liebe starb‹, wie sie nun bei den Feen genannt wurde.«
    Abakum schwieg, aufgewühlt von seiner eigenen Erzählung.
    Oksa war nicht weniger ergriffen.
    »Wow!«, murmelte sie, »das ist ja der Wahnsinn! Aber es ist so traurig – ich könnte heulen.«
    Abakums Blick war versonnen in die Ferne gerichtet.
    »Es ist lange her, dass ich das letzte Mal über diese Dinge gesprochen habe. Aber sei nicht traurig«, sagte er und wandte sich Oksa zu. »Du musst es so sehen, dass ich ein Kind reiner Liebe bin. Ich weiß, sich das vorzustellen ist nicht ganz leicht, wenn man mich so sieht mit meinem Bart, den weißen Haaren und den tiefen Falten, aber trotzdem, genau das bin ich.«
    Oksa sah ihn voller Zärtlichkeit und Dankbarkeit an. Sie brachte vor Rührung kein Wort heraus und kämpfte gegen die Tränen an.
    Abakum entging nicht, wie aufgewühlt sie war, und er schien einen Moment zu zögern. Dann erhob er sich und sagte mit so fester Stimme, wie es ihm seine eigene Ergriffenheit erlaubte: »Möchtest du diesen berühmten Stab einmal aus der Nähe sehen?«
    »Wie bitte?« Oksa fuhr hoch. »Du meinst den ganz echten, einzigartigen Zauberstab der Alterslosen Fee, den du aus Edefia mitgebracht hast?«, fragte sie, nun wieder ganz die alte Oksa.
    »Genau«, erwiderte Abakum im selben Ton.
    »Und du fragst mich allen Ernstes, ob ich ihn sehen will?«, rief Oksa und stemmte die Hände in die Hüften. »Und ob ich ihn sehen will! Ich würde alles dafür geben, ihn sehen zu dürfen.«
    Kurz darauf legte der alte Zauberer den kostbaren Gegenstand auf das Tischchen mit den gestreiften Beinen. Oksa stieß einen entzückten Schrei aus. Der Stab war ungefähr vierzig Zentimeter lang und aus hellem, gedrechseltem Holz gefertigt. Am oberen Ende hatte er einen runden Knauf, nach unten hin verjüngte er sich. An der breitesten Stelle zierte ihn ein Ring aus Weißgold, auf dem in zarter Schrift die Worte »Die Alterslose Fee, die aus Liebe starb« eingraviert waren.
    »Ich glaub’s nicht. Ein Zauberstab! Sag mir, dass ich nicht träume!«
    »Am Anfang kam ich mir selbst vor, als ob ich träumte, jedes Mal, wenn ich ihn in die Hand nahm«, erzählte Abakum. »Wochenlang habe ich ihn

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