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Oktoberfest

Oktoberfest

Titel: Oktoberfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scholder Christoph
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hätte wohl ziemliches Aufsehen erregt, wenn ein offensichtlich bewaffneter Mann verwundet und verdreckt aus einem Gully stieg. Und Aufsehen konnte er im Moment überhaupt nicht brauchen.
    Er musterte seine Umgebung genauer.
    In der Nähe entdeckte er ein Wasserbecken, einen Springbrunnen. Aus nördlicher Richtung hörte er die rumpelnden Geräusche eines langsam fahrenden Zuges. Da-Dang. Da-Dang. Da-Dang. Im Süden sah er Straßenlampen. Zwei Polizeiwagen fuhren langsam die Straße entlang.
    Das musste reichen. Ein Ortskundiger würde aus dieser Beschreibung schließen können, wo er sich befand.
    Er zog den Kopf wieder ein und setzte sich auf eine der Sprossen, die in die Wand des Kanals eingelassen waren. Dann öffnete er den Reißverschluss des triefend nassen Overalls, griff in eine der Innentaschen und förderte das wasserdichte und bruchfeste Etui seines Cryptophones zutage.
    Er schaltete das Gerät ein und wartete auf ein Netz. Nach mehr als einer Minute zeigte das Telefon an, dass es sich in das konzerneigene Funknetz der Deutschen Bahn eingeloggt hatte. Alle anderen Netze waren durch den Störsender auf der Theresienwiese blockiert.
    Die erste Nummer, die er aus dem Speicher aufrief, war die der Wiesn-Wache.
    Kroneder sollte ihn hier abholen lassen. Unauffällig. Und er sollte ihm einen Arzt besorgen, der seine Wunde behandeln konnte. Am besten einen Polizeiarzt.
    Kroneder reagierte prompt und unkonventionell. Er versprach, unverzüglich einen Krankenwagen zur Außenstelle des europäischen Patentamtes zu schicken. Mit einem Arzt an Bord, den er persönlich kannte. Kroneder wusste nach Härters Beschreibung auch sofort, wohin genau: zu der Stelle, wo sich der Springbrunnen im Durchgang zur Hackerbrücke befand.
    Dann rief Wolfgang Härter beim Chef des Stabes der Abteilung A&Ω an. Vorbereitungen mussten getroffen werden. Dr. Urs Röhli würde heute früh ab Zürich nach Kaliningrad fliegen. Ins Militärarchiv. Dr. Röhli brauchte heute Abend zwei informelle Termine. Einen bei dem alten Archivar Dr. Alexander Ivanov. Und einen bei Sergej Klarow, einem Oberst der russischen Miliz, der zuvor bei der Militärpolizei gewesen war.
    Der Chef seines Stabes zeigte nüchterne Professionalität.
    Er wiederholte Härters Anweisungen, um sicherzugehen, dass er alles richtig verstanden hatte, und versprach, das Nötige zu veranlassen. Kapitän zur See Wolfgang Härter beendete das zweite Gespräch. Er seufzte einmal tief.
    Jetzt konnte er für Minuten nichts anderes tun, als zu warten. Und so saß der Sonderermittler des Bundeskanzlers da und wartete.
    Stinkend wie ein Dallschaf.
    Ausgepumpt zwar, das schon – im wahrsten Sinne des Wortes.
    Aber höchst lebendig.
    Und mit einem Plan im Kopf.
    *
    Der Verteidigungsminister legte den Hörer des abhörsicheren Telefons zurück auf die Konsole. Dann sah er den Bundeskanzler an.
    »Ich hab’s Ihnen doch gesagt: Poseidon lebt«, sagte er triumphierend.
    Ruckartig setzte sich der Regierungschef in seinem Sessel auf. »Wirklich? Ist das sicher?« Die Skepsis in seiner Stimme war nicht zu überhören.
    »Ja. Hundertprozentig. Gerade hat mich sein Stabschef angerufen. Der Mann hat persönlich mit Poseidon telefoniert. Irrtum ausgeschlossen.«
    »Gott sei Dank«, sagte der Kanzler mit einem erleichterten Seufzen. »Und? Wo ist Poseidon? Was hat er vor? Hat er neue Erkenntnisse?«
    »Tut mir leid, Herr Bundeskanzler. Aber darüber hat sein Stabschef nichts gesagt.«
    Die Tür wurde geöffnet, und der Finanzminister trat herein, einen Pilotenkoffer voller Akten in der rechten Hand. Jetzt sollten die weiteren Schritte, die Refinanzierung und Beschaffung der Diamanten betreffend, besprochen werden.
    Wenn die Börse in Frankfurt öffnete, würde eine Staatsanleihe über zweieinhalb Milliarden Euro auf dem Kapitalmarkt plaziert werden. Damit würden sie die Diamanten bezahlen.
    Einer der Staatssekretäre des Finanzministeriums war nach Antwerpen gereist, um die Situation an der dortigen Diamantenbörse zu sondieren. Ein anderer befand sich seit gestern in Südafrika. Die Verhandlungen mit dem Hause De Vries, dem Weltmarktführer in Sachen Diamantenhandel, waren bereits im Gange.
    *
    So ein gerissenes Luder!
    Ludwig Lochbihler hätte sich in den Hintern beißen können. Dieses grünäugige Biest hatte ihn nach allen Regeln der Kunst abgekocht. Die junge Lady war aber auch wirklich unglaublich attraktiv.
    Die Lady war eine von den Frauen, die Ludwig Lochbihler schon sein ganzes Leben in

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