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Oktoberfest

Oktoberfest

Titel: Oktoberfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scholder Christoph
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und sein Sturmgewehr G 36 zu schultern. Dann verließ er, ohne sich noch einmal umzudrehen, den Saal.
    »Wo waren wir stehengeblieben?«, fragte der General in liebenswürdigem Ton den Ministerpräsidenten.
    »Äh, ich wollte …« Er brach ab.
    Was hatte er da gerade gehört?
    »Also, Moment mal, Herr Moisadl, was hat das zu bedeuten? Was für eine Räumung?«
    »Das Bataillon aus Mellrichstadt baut zur Stunde eine Ringstellung um die Theresienwiese auf. Damit ist die Polizei bereits massiv entlastet. Zudem habe ich befohlen, die angrenzenden Wohnhäuser teilweise zu evakuieren. Ich habe den Bereich um die Theresienwiese zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Damit sind wir auf einen Schlag die Presse los. Und die Chancen des Gegners, einen Riegel der Panzergrenadiere zu durchbrechen, halte ich, vorsichtig ausgedrückt, für bescheiden.«
    Jetzt fängt dieser Kerl doch tatsächlich an, in meiner Landeshauptstadt Krieg zu spielen, dachte der Ministerpräsident.
    »Das können Sie nicht machen. Ich meine, die Menschen aus ihren Wohnungen zu vertreiben. Das ist …«
    »Doch, das kann ich«, erwiderte Moisadl barsch. »Machen Sie sich keine Sorgen, ich werde eine zweite Blutnacht von Sendling zu verhindern wissen. Sonst noch was?«
    Der Ministerpräsident musste mehrfach ansetzen, bevor er weitersprechen konnte. Was für eine Unverschämtheit!
    »Das werde ich prüfen lassen. Ich werde Sie zur Verantwortung ziehen.«
    »Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Aber bei allem Respekt: Wenn Sie sonst keine Fragen mehr haben, würde ich gerne wieder an die Arbeit gehen.«
    Schon sehr lange Zeit hatte niemand mehr gewagt, in einem solchen Ton mit dem Ministerpräsidenten zu sprechen. Das würde er sich nicht gefallen lassen.
    »Ich wollte Sie eigentlich bitten, Ihre Kommandozentrale in die bayerische Staatskanzlei zu verlegen. Dort wäre es viel einfacher, unsere Maßnahmen abzustimmen. Dort laufen alle Fäden zusammen. Logistik, Kommunikation, alle Behörden. Dort könnten Sie viel besser arbeiten«, sagte er in beherrschtem Ton. Die jahrelange Routine des Berufspolitikers ließ ihn die Ruhe bewahren.
    Das könnte dir so passen, dachte sich General Moisadl. Du willst mir doch nur auf die Finger schauen, Sportsfreund.
    Aber daraus wird nichts.
    »Vielen Dank für das Angebot, Herr Ministerpräsident, doch ich habe mir den Ort für meine Kommandozentrale sehr sorgfältig ausgewählt. Sehen Sie, ich habe es ja nicht mit einem Gegner im Feld zu tun. In erster Linie muss ich die öffentliche Ordnung aufrechterhalten. So lautet mein Auftrag. Das bedeutet, dass ich die Menschen davon überzeugen muss, dass ich und meine Männer für sie arbeiten und nicht gegen sie. Ich muss die Bürger dieser Stadt emotional erreichen. Dafür ist das Rathaus nun einmal besser geeignet.«
    »Was soll das denn für einen Unterschied machen? Die Staatskanzlei ist da genauso gut wie das Rathaus.«
    »Merken Sie eigentlich überhaupt noch irgendetwas, Herr Ministerpräsident?« Die Stimme des Generals hatte plötzlich eine ätzende Schärfe bekommen, die den Chef der Staatsregierung zusammenzucken ließ. » Wo kann man jeden Abend um neun Uhr das Münchner Kindl bewundern? Wo feiert der FC Bayern seine Meistertitel? Wo den Gewinn der Champions League? Wo würden die Löwen feiern, wenn es bei denen mal wieder was zu feiern gäbe? Fotografieren die Touristen Ihre Staatskanzlei? Oder das Glockenspiel?« Der General holte tief Luft. »Ich kann doch nicht aus einem seelenlosen, protzigen Glaskasten heraus versuchen, die Menschen zu gewinnen!« Moisadl schüttelte den Kopf. »Nein, mein Platz ist hier. Hier, wo im Jahre 1517 die Schäffler getanzt haben und dadurch den Bürgern dieser Stadt nach der schweren Pestilenz wieder neuen Lebensmut geschenkt haben. Habe die Ehre!«
    Bei diesen Worten fasste der Ministerpräsident den Entschluss, beim Verteidigungsminister zu intervenieren. Oder besser gleich beim Bundeskanzler persönlich. Ihm war klar, dass er nach der Katastrophe in der Fischer-Liesl um sein politisches Überleben kämpfte. Um sein Lebenswerk. Und um sein Andenken. Aber dieser wild gewordene Soldat würde nicht auf ihn hören.
    Gleichwohl: Der Mann musste aufgehalten werden.
    Sonst würde das hier ein böses Ende nehmen.
    *
    Iljuschin durchquerte mit schnellen Schritten das Zelt. Als er die Treppe zum Balkon an der Vorderseite hinaufstieg, nahm er zwei Stufen auf einmal. Einer der Scharfschützen, die dort in Stellung lagen, hatte ihn über

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