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Olfie Obermayer und der Ödipus

Olfie Obermayer und der Ödipus

Titel: Olfie Obermayer und der Ödipus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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und daß sich ein Autostopper tun-lichst am rechten Straßenrand aufzuhalten habe, dann war die Kutsche endlich willig, der Motor schnurrte, und wir fuhren weiter.
    Ich beugte mich vor und streckte eine Hand zwischen Sei-tenwand und Vordersitz durch und streichelte Joschis Schulter. Der Hund setzte sich neben mir auf und fing an, meinen Hals abzuschlecken, als müßte er mich intensiv säubern.
    »Warum bist du denn weg, Mädchen?« fragte der Müller.
    »Ich wollte nicht stören«, sagte die Joschi leise.
    »Was wolltest du nicht?« fragte der Müller.
    »Nicht stören«, sagte die Joschi etwas lauter. »Weil das doch wichtig ist für den Wolfgang. Und weil ich nicht ge-wußt habe, wie Sie sind. Ob Sie die Polizei gleich anrufen.
    Oder so!« Die Joschi schaute den Müller an. Ganz sicher, daß er nicht doch die Polizei gleich anrufen würde, war sie anscheinend nicht. »Ich bin nicht sehr behördenlieb«, sagte der Müller. »Das ist fein«, sagte die Joschi. Ihre Stimme
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    klang nicht mehr gar so hoffnungslos traurig. Sie zitterte auch kein bißchen mehr. Das fühlte meine Hand an ihrer Schulter. Wir fuhren gar nicht besonders lange, dann kamen wir durch einen kleinen Ort und bogen am Ortsende auf einen Güterweg ab, und wieder nach ein paar Minuten hielten wir vor einem kleinen Haus.
    »Endstation«, sagte der Müller.
    Wir stiegen aus dem Auto, der Müller holte die Eier und den Brotsack aus dem Kofferraum, die Joschi lehnte sich an mich, ich legte einen Arm um ihre Schultern, und die Joschi hauchte mir einen sanften Kuß auf den Hals. »Ich hab dich sehr lieb«, flüsterte sie. Ich hätte ihr gerne gesagt, daß ich sie noch viel-viel-viel lieber habe, doch der Riesenhund wollte an der zärtlichen Veranstaltung teilnehmen und sprang an mir hoch und wollte wieder an meinen Hals heran.
    »Nowak, benimm dich!« rief der Müller. »Nowak, komm her, sonst mach ich Blunzen aus dir!« Aber der Nowak-Hund parierte nicht. Der Müller mußte ihn von mir herun-terholen. Als das endlich geschafft war, war der günstige Augenblick für meine Liebeserklärung vorüber.
    Hinter dem Müller und Nowak her gingen die Joschi und ich ins Haus. Das Haus hatte einen Vorraum, eine Küche, eine große Stube und eine kleine Kammer. Und vom Vor-haus führte eine Treppe, die aber mehr eine Leiter war, zum Dachboden hinauf. Möbelstücke waren nicht viele in der Küche und den zwei Zimmern. Aber sonst lag sehr viel herum. Um es deutlich zu sagen, so was von Schlamperei hatte ich noch nie gesehen. Dagegen war meine eigene Bu-de ein aufgeräumtes Nähkästchen ! So viele Kubikmeter vermischte Güter, frei auf alten Holzböden gelagert, hatte
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    ich überhaupt noch nie gesehen. Hosen, Bücher, Hemden, benutztes Geschirr, Pullover, Stöße von beschriebenem Papier, Zeitungen, Aktenordner, leere und volle Flaschen, auch ein paar ungerahmte Bilder, etliche Wollknäuel und Wollsträhnen und weiß der Kuckuck, was sonst noch, türm-ten sich da zuhauf.
    »Das ist nicht meine Schlamperei«, sagte der Müller. »Ich bin ein relativ ordentlicher Mensch. Eine Dame hat bei mir gewohnt, von der stammt der meiste Dreck. Sie hat mich vor vierzehn Tagen verlassen. Und ich bin aus Gründen der Pietät noch nicht fähig, das ganze Environment zu zerstö-
    ren!«
    Im Winkel bei den Fenstern, im großen Zimmer, war ein Schreibtisch. Mit einer Schreibmaschine drauf. Auf dem war Ordnung. Der Müller setzte sich an den Schreibtisch, nahm ein Blatt Papier und spannte es in die Schreibmaschine und sagte:
    »Also, ihr werten Kummerkinder. Ich muß bis morgen früh dringend ein Stück Arbeit erledigen. Das muß um neun Uhr auf der Post sein. Ich erledige das schnell, bevor ich mich euren Drangsalen widme. Wenn ich mich nämlich anderer Leute troubles annehme, muß ich dazu einen Schluck trinken. Und wenn ich getrunken habe, kann ich nicht mehr fehlerfrei tippen! Okay?«
    Während der Müller schon emsig auf die elektrische Schreibmaschine losschlug, sagte er noch, eigentlich könnten wir so nett sein und dem Hund eine Dose Futter geben und Tee kochen und eventuell Eierspeise oder sonst was aus den Eiern kochen. Bis wir das geschafft hätten, sei er mit der blöden Arbeit fertig.
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    Die Joschi und ich waren zwar willig, die Anweisungen vom Johannes Müller auszuführen. Aber in einer fremden, unordentlichen Küche auch nur den Dosenöffner zu finden, ist keine einfache Sache; noch dazu, wo die einzige Art, Dosen zu öffnen, die mir bekannt war, die

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